Darum gehts
- Werdenberg SG erklärte sich zur rauchfreien Zone
- Die Schilder sind eigentlich kein Verbot, nur ein Hinweis
- Angst vor Brandgefahr in historischer Holzbausiedlung
Schluss mit dem Qualm! Immer mehr Orte verbannen Zigaretten aus dem öffentlichen Raum. In den italienischen Metropolen Mailand und Turin ist das Rauchen im Freien weitgehend verboten, das historische Zentrum Roms könnte bald nachziehen. Schweden strebt sogar an, vollständig rauchfrei zu werden.
Und in der Schweiz? Zumindest in Genf gilt an Haltestellen und auf Spielplätzen heute ein striktes Rauchverbot. Andernorts werden entsprechende Ideen heftig diskutiert: Wie viele Einschränkungen sind im Freien zumutbar? Die Massnahmen polarisieren – Kritiker sprechen von einem Eingriff in die persönliche Freiheit. Noch greift mehr als jeder vierte Mensch hierzulande regelmässig zur Zigarette.
Doch in der Ostschweiz hat ein Städtchen längst Fakten geschaffen. Ganz ohne Streit, ganz ohne Paragrafen-Hammer. Werdenberg SG hat sich auf leisen Sohlen zur «rauchfreien Zone» erklärt – von der übrigen Schweiz praktisch unbemerkt.
Rechtlich bindend ist die Tafel nicht
Wie ist das möglich? Klar ist: Auch im St. Gallischen gibt es keine gesetzliche Grundlage für ein generelles Rauchverbot im öffentlichen Raum. Die Werdenberger griffen zu einem cleveren Trick.
Wer das mittelalterliche Städtchen betritt, wird an den Zugängen von Schildern empfangen. Direkt unter dem vertrauten rot-weissen Parkverbot prangt ein braunes Hinweisschild mit durchgestrichener Zigarette. «Rauchfreie Zone» steht darauf. Schon vor eineinhalb Jahrzehnten wurden in Werdenberg die ersten dieser Tafeln montiert.
Ein juristisch bindendes Rauchverbot ist das nicht – wer sich eine Zigarette anzündet, muss keine Strafe befürchten. Streng genommen handelt es sich «nur» um eine Hinweistafel, die einer Empfehlung gleicht. Der braune Hintergrund orientiert sich an der touristischen Signalisation, vielen wohlbekannt von der Autobahn.
Der Schild-Trick funktioniert offenbar – und das mit breitem Rückhalt aus der Anwohnerschaft. Was wirklich hinter der Tafel steckt, erschliesst sich dem durchschnittlichen Besucher kaum.
Ein Brand wäre fatal in Werdenberg
Es begann 2010, als Einwohner von Werdenberg ein generelles Rauchverbot forderten. Doch rechtlich war das nicht möglich. Der Gemeinderat von Grabs, zu dem Werdenberg heute gehört, suchte daraufhin nach «einer pragmatischen, liberalen Lösung». So nennt es Gemeindepräsident Niklaus Lippuner (52, FDP), der zu dieser Zeit noch nicht im Amt war.
Ist das Ganze eigentlich eine Täuschung? Mit Gesundheitsprävention hat die Beschilderung weniger zu tun. Der Hintergrund ist ein anderer: Im Ort fürchtet man sich vor dem Feuer. Werdenberg wird in Reiseführern nicht nur als eine der kleinsten Städte der Schweiz aufgeführt – es gilt auch als die älteste Holzbausiedlung des Landes. Fast schon wundersam hat es in seiner langen Geschichte noch nie einen grösseren Brand gegeben.
«In Werdenberg lebt man mit dem Wissen, dass ein Funke das ganze Städtchen zerstören könnte», sagt Lippuner. «Es geht um ein wichtiges Erbe.» Das Ortsbild hat nationale Bedeutung. Mit dem See und dem Schloss ist das Städtchen ein touristischer Geheimtipp. Laut dem Gemeindepräsidenten haben die Schilder einen «Aha-Effekt». Sie seien quasi ein Appell an die Vernunft.
Viel Aufhebens um die rauchfreie Zone wollen die paar Dutzend Bewohnerinnen und Bewohner offenbar nicht machen. Öffentlich will sich niemand mit Namen dazu äussern. «An sich dürfte man niemandem verbieten, auf öffentlichem Grund zu rauchen», sagt eine Anwohnerin gegenüber Blick. «Aber wenn man mit solchen Schildern empfangen wird, überlegen es sich Raucher zweimal.»
Sollte sich doch jemand über das Schild ärgern oder gar absichtlich eine Zigarette anzünden, sei das eine Gelegenheit, die Person in ein Gespräch über die historische Bausubstanz Werdenbergs zu verwickeln. «Da hat sich bisher noch jeder und jede verständnisvoll gezeigt», sagt die Anwohnerin.
Die Schilder erfüllen ihren Zweck
Ein Nebeneffekt: Auch unter den Bewohnerinnen und Bewohnern des Städtchens sollen sich nur noch die wenigsten eine Zigarette anzünden.
Fachleute sprechen von «Nudging», wenn Menschen nicht mit Vorschriften, sondern mit gezielten Hinweisen zu einem bestimmten Verhalten bewegt werden sollen.
Könnte der Werdenberger Weg ein Vorbild für andere Orte sein? Empfehlungen wolle er sich nicht anmassen, sagt Gemeindepräsident Lippuner. Die Hinweisschilder hätten sich jedenfalls bewährt. Sie zeigten Wirkung, ohne zu polarisieren. «Und es gibt ja immer noch genug Orte, an denen man in Ruhe rauchen kann.»