Darum gehts
- Die Grünen sehen sich trotz Wahlschlappe als erfolgreiche Opposition
- Die Fraktionschefin kritisiert den populistischen Kurs von SVP und SP
- Die Grüne gewannen in den letzten zwei Jahren jedes Referendum
Als Verlierer wollen die Grünen nicht gelten. Auch nicht nach der Wahlschlappe 2023, dem gescheiterten Angriff auf einen Bundesratssitz und einer halben Legislatur, in der das bürgerliche Parlament die Bemühungen der Partei allzu oft mit der Dampfwalze plättete. Dieser Tage, zur Halbzeitbilanz, zeigen sich Präsidentin Lisa Mazzone (37) und Fraktionschefin Aline Trede (42) daher auch angriffig und optimistisch: Als Opposition sei die Partei erfolgreich – dennoch hätte man gerne mehr.
Während Chefin Mazzone ausserhalb des Bundeshauses gerne austeilt, wollen sich die Grünen im Parlament lieber mit Kompromissen beliebt machen. «Wir müssen die anderen Parteien ins Boot holen, um Mehrheiten zu schaffen und zumindest kleine Schritte in der Klimapolitik zu machen», sagt Fraktionschefin Trede zu Blick. «Ich will lieber Inhalte und Lösungen.» Harmonie statt Populismus bei der Linkspartei? So ganz zurückhalten kann sich die Bernerin dann doch nicht – und stichelt überraschend gegen links.
Grüne wollen im Parlament nicht bloss poltern
123 Stimmen braucht es für einen Bundesratssitz. Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey (49) verfehlte das Ziel bei den Gesamterneuerungswahlen vor zwei Jahren deutlich. «Rein rechnerisch hätten wir weiterhin ein Anrecht. Fast ein Viertel der Wahlbevölkerung ist nicht im Bundesrat vertreten, das ist in unserem Mehrparteiensystem ungesund», sagt Trede. Das müssten endlich auch die anderen Parteien einsehen. Ob das aber auch nach den nächsten Wahlen so bleibt, ist offen. Denn besonders die SVP legt immer weiter zu.
Werden also bald eher die Forderungen nach einem dritten SVP-Regierungssitz realistisch? «Eher wären neun Bundesräte möglich», sagt Trede. Die «aktuelle Arroganz der SVP» sei schädlich für den Dialog und die Zusammenarbeit im Parlament, so die Nationalrätin. «Wir könnten ebenfalls 26 Menschen ins Parlament stellen, die bloss poltern», sagt Trede. «Das sorgt bei der Wählerschaft für Aufmerksamkeit, ist aber inhaltlich oft wertlos.»
«Wir werden nicht in Schönheit sterben»
Trede zielt mit ihren Aussagen nicht nur auf die Rechtspartei, sondern auch auf die SP. Diese habe sich als Reaktion ebenfalls einem populistischeren Kurs verschrieben. «Die 3 Prozent, die wir an den letzten Wahlen verloren haben, hat die SP damit aber auch nicht wettgemacht.»
Die Schwesterpartei legte zwar zu, aber nur um 1,5 Prozent. Man müsse zusammen daran arbeiten, wieder grösser zu werden, so Trede. Doch einen Seitenhieb lässt sie sich nicht nehmen: «Wir Grünen werden nicht in Schönheit sterben, aber sorgen uns im Parlament um Lösungen statt knackige Instagram-Clips.» Harmonisch tönt anders.
Die Sozialdemokraten setzen unter der Doppelspitze Mattea Meyer (37) und Cédric Wermuth (39) stark auf die sozialen Medien, wohl so stark wie keine andere Partei.
Nur zurückhaltende Kritik am Bundesrat
Mit dem Bundesrat will die Grünen-Fraktionschefin aber nicht so hart umgehen, wie es ihre Parteipräsidentin pflegt. Im August schoss Mazzone gegen Karin Keller-Sutter (61, FDP). Statt sich für Gaza einzusetzen, habe die Bundespräsidentin «nur Augen für Trump».
Trede drückt ihre Unzufriedenheit konzilianter aus. «Sie funktionieren noch nicht wirklich als Gremium mit Leadership, aber ich habe schlimmere Zeiten erlebt.» Ausgerechnet für Aussenminister Ignazio Cassis (64, FDP) gibt es sogar Lob – er habe den EU-Deal letztlich doch recht gut verhandelt.
Für den Rest der «Legislatur des Rückschritts» wollen die Grünen ihre Oppositionswerkzeuge noch einmal schärfen. «Wir haben in den letzten zwei Jahren jeden Referendumskampf gewonnen», sagt Trede. Dies zeige, dass sich die Vorstellungen zwischen dem Parlament und der Bevölkerung doch sehr unterscheiden. «Das ist problematisch, aber wir können daraus auch Hoffnung schöpfen und für die Wahlen mobilisieren.»