Darum gehts
Die Elektromobilität gilt seit Jahren als Schlüssel für eine klimafreundlichere Verkehrszukunft. Autohersteller übertrumpfen sich mit neuen und günstigeren Modellen, die längere Reichweiten bieten. Auch die Ladeinfrastruktur wurde in den letzten Jahren deutlich ausgebaut.
Doch in der Schweiz stockt der Aufwärtstrend, besonders auf Konsumentenseite. Zwar nahm der Marktanteil von Elektro- und Hybridautos in den letzten Jahren stetig zu. Aber: Letztes Jahr schrumpfte der Marktanteil der Elektroautos um 1,7 Prozentpunkte.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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30 Prozent Steckerfahrzeuge
Experten erklären den Rückgang damit, dass per 2024 Steuererleichterungen für Elektroautos wegfielen. Die Autolobby hingegen argumentiert, dass es an der neuen Importsteuer auf Elektroautos liege, die die Preise steigen liess.
Inzwischen haben sich die Verkaufszahlen stabilisiert. Sie liegen wieder auf dem Niveau von 2023 – mit einem Marktanteil von etwa 20 Prozent bei den Neuzulassungen. Wenn man Plug-in-Hybride hinzuzählt, also Fahrzeuge mit Elektro- und Verbrennungsmotor, die extern geladen werden können, erreicht der Anteil der sogenannten Steckerfahrzeuge rund 30 Prozent.
Trotz der Erholung sind viele mit der Entwicklung unzufrieden, allen voran Auto-Schweiz, der Branchenverband der Schweizer Automobilimporteure.
Sanktionen gegen Automobilimporteure
Der Ärger ist nicht nur eine Folge der stagnierenden Verkaufszahlen, sondern richtet sich auch gegen die neue CO₂-Verordnung des Bundesrats. Diese sieht Strafzahlungen vor, wenn bestimmte CO₂-Ziele nicht erreicht werden. Verkaufen die Importeure zu wenige Elektroautos, drohen ihnen Sanktionen.
Um diese zu vermeiden, müssten laut Thomas Rücker, Direktor von Auto-Schweiz, in diesem Jahr rund 50 Prozent der verkauften Autos Steckerfahrzeuge sein. «Aufgrund des Produktangebots ist das zwar möglich, entspricht aber nicht der aktuellen Nachfrage», sagt er.
Weit entfernt vom Ziel
50 Prozent Steckerfahrzeuge bis Ende 2025 – das ist auch das Ziel der «Roadmap Elektromobilität 2025», die das Bundesamt für Energie (BFE) und das Bundesamt für Strassen (Astra) initiiert haben. Der Plan sieht zudem vor, dass bis Ende des Jahres 20’000 öffentliche Ladestationen verfügbar sein sollen (derzeit sind es 15’819) und das Laden zu Hause oder am Arbeitsplatz nutzerfreundlich gestaltet wird.
Die Roadmap ist zwar nicht verbindlich, zeigt aber, wie es um die Elektromobilität in der Schweiz steht. Und dieses Bild ist ernüchternd: Von allen drei Zielen sind wir weit entfernt.
Lademöglichkeit entscheidend für den Kauf
Marcel Weigele fährt seit zehn Jahren E-Autos. Ein Tesla hatte es ihm damals angetan. «Ich kaufte den Wagen, obwohl unklar war, wo ich ihn laden konnte», sagt der ehemalige Beobachter-Finanzberater. Öffentliche Ladestationen waren noch dünn gesät. Weigele lebte zwar in einer Eigentumswohnung, das machte die Sache aber nicht einfacher. «Um einen Ladeanschluss in der Garage zu installieren, brauchte ich die Einwilligung jedes Miteigentümers. Ein einziges Nein hätte gereicht, um mir das Leben mit dem Tesla ziemlich schwer zu machen», erinnert er sich.
29 Prozent der Haushalte mit Zugang zu einer Ladestation besitzen heute ein E-Auto. Wenn Lademöglichkeiten fehlen, ist es gerade noch ein Prozent. Das zeigt eine im vergangenen September vom Meinungsforschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Axa-Versicherung durchgeführte Befragung. Unzureichende Ladeinfrastruktur wurde auch am zweithäufigsten als Hinderungsgrund beim Kauf eines E-Autos genannt, gleich hinter zu geringen Reichweiten.
Weigele hatte Glück – oder eine besonders gute Beziehung zu den Nachbarn. «Alle stimmten der Ladeinstallation zu», sagt er gegenüber dem Beobachter. Mittlerweile lebt er mit seinem Partner in einem Einfamilienhaus im Aargau. Dort steht heute auch ein zweites E-Auto. «Auf dem Hausdach haben wir Solarpanels installiert. So können wir unsere Fahrzeuge fast gratis laden.»
Die Kritik an den Reichweiten der E-Autos kann Weigele nicht nachvollziehen. «Wer fährt schon mehr als 300 Kilometer pro Tag? Und für längere Reisen ins Ausland gönnen wir uns halt eine Kaffeepause an einer Tankstelle mit Ladestation.» Die gibt es im benachbarten Ausland mittlerweile fast an jeder Autobahntankstelle. Wartezeiten sind selbst zu Hauptreisezeiten selten.
Für Ärger sorgt etwas anderes: «Die Betreiber von Ladestationen arbeiten mit sehr unterschiedlichen Preismodellen und Mitgliedschaften. Hier fehlt es an Transparenz, damit man günstige von teuren Anbietern unterscheiden könnte.»
Noch diesen Sommer wird der Ständerat voraussichtlich entscheiden, ob das private Laden erleichtert werden soll. Mietern und Stockwerkeigentümern soll die Installation einer Ladestation nicht mehr verwehrt werden können. Der Nationalrat hat der Motion von Jürg Grossen (GLP, BE) bereits 2024 zugestimmt. Im Ständerat könnte es aber knapp werden. Der Bundesrat und die vorberatende Kommission sehen im Recht auf eine Ladestation einen zu starken Eingriff in die Eigentumsrechte.
Für Grossen, der auch den Verband Swiss eMobility präsidiert, sind das untaugliche Argumente: «Es geht jetzt um das Gewährleisten einer Grundinfrastruktur, wie wir es in anderen Bereichen längst kennen. Zum Beispiel beim Recht auf den Zugang zum Glasfasernetz bis in die Wohnung oder den Zugang zu einer Waschmaschine», sagt er zum Beobachter.
Mit einer Anpassung im Stromversorgungsgesetz könne jetzt auch ein Recht auf den Zugang zu einer privaten Ladeinfrastruktur eingeführt werden. Denn nur mit einer Reduktion der Treibhausgase könnten die verbindlichen Klimaziele erreicht werden. Dafür brauche es einen rascheren Umstieg auf die E-Mobilität – und dabei sei die Lademöglichkeit am Wohnort ein zentrales Element.
Vorreiter Norwegen
Bis 2050 will die Schweiz das «Netto null»-Ziel erreichen. Eine deutliche Senkung der CO₂-Emissionen im Individualverkehr würde entscheidend dazu beitragen, denn er verursacht laut Bundesamt für Statistik rund einen Drittel der gesamten Emissionen.
Wenn mehr E-Autos auf Schweizer Strassen fahren, sinkt der CO₂-Ausstoss erheblich. Laut WWF verursacht ein E-Auto über seine gesamte Lebensdauer nur halb so viel CO₂ wie ein Verbrennerfahrzeug. Mehr Elektro- statt Verbrennerautos sind daher unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen.
Ein Blick ins Ausland zeigt, wie man E-Autos gezielt fördern kann. Am radikalsten tut das Norwegen: Fast 90 Prozent der neu zugelassenen Autos haben einen elektrischen Antrieb, ab nächstem Jahr sollen sogar ausschliesslich E-Autos verkauft werden. Mittlerweile fährt jedes vierte Auto auf norwegischen Strassen mit Strom.
Fördern und abschrecken
Norwegen erreichte diese Zahlen mit einer Kombination aus Förderung und Abschreckung. Einerseits investierte das Land in den Ausbau der Ladeinfrastruktur und gewährte Steuererleichterungen, auch wenn sie inzwischen teilweise zurückgefahren wurden. Seit 2017 gilt zudem ein Recht auf Laden zu Hause.
Anderseits machte Norwegen Benzin- und Dieselautos unattraktiv. Wer ein Fahrzeug mit fossilem Antrieb kauft, zahlt deutlich höhere Steuern. Diese richten sich nach dem CO₂-Ausstoss und der Fahrzeuggrösse – je höher der Ausstoss, desto höher die Steuer.
In der Schweiz geht es aktuell in eine andere Richtung. Seit 2024 erhebt der Bund wieder eine Automobilsteuer von 4 Prozent auf E-Autos. Und für die nächsten Jahre plant der Bundesrat eine Ersatzabgabe für E-Autos, damit sie sich – wie Verbrenner über die Mineralölsteuer – an der Finanzierung der Strasseninfrastruktur beteiligen. Die Ersatzabgabe ist in der Bevölkerung allerdings umstritten. Laut der Sotomo-Umfrage sind 44 Prozent eher dafür, 36 Prozent eher dagegen – und 20 Prozent sind unsicher, wie sie dazu stehen.
Nur das Tessin belohnt E-Auto-Käufer direkt
Für die laufenden Kosten relevant sind auch die kantonalen Motorfahrzeugsteuern, die sehr unterschiedlich hoch ausfallen. Einzelne Kantone haben ein Bonus-Malus-System eingeführt, das den CO₂-Ausstoss oder die Energieeffizienz der Fahrzeuge berücksichtigt. Davon profitieren E-Autos. Andere Kantone arbeiten dagegen mit einem prozentualen Steuererlass für E-Autos. Und manche kennen gar keine Bevorzugung. Eine Harmonisierung scheiterte bisher, weil die Kantone die Einnahmen sehr unterschiedlich verwenden.
Auf direkte finanzielle Anreize setzt als einziger Kanton das Tessin. Käufer von Elektroautos erhalten dort eine einmalige Kaufprämie von bis zu 4000 Franken. Eine aktuelle Studie des Schweizerischen Nationalfonds bewertet diesen Ansatz als wirksamer und effizienter als Steuererleichterungen.
Doch wie anfällig solche Fördermassnahmen gegenüber politischen Änderungen sind, zeigt das Beispiel Deutschland. Dort wurde bis Ende 2023 ein sogenannter Umweltbonus gewährt – mit Erfolg. Doch nach der abrupten Streichung der Kaufprämie brachen die Verkaufszahlen von E-Autos drastisch ein und erholten sich bis heute nur teilweise davon.
Einen weiteren Ansatz liefert Michel Haller, Experte für nachhaltige Energien an der Ostschweizer Fachhochschule. Er empfiehlt, die Kosten für fossile Mobilität zu erhöhen, um Elektromobilität zu fördern. «Eine höhere CO₂-Abgabe auf Treibstoffe wäre äusserst effektiv und volkswirtschaftlich sinnvoll», sagt er zum Beobachter.
Subventionen und Steuererleichterungen hält er angesichts der Sparmassnahmen von Bund und Kantonen für wenig zielführend. «Lenkungsabgaben sind in dieser Hinsicht unkritisch und verzerren den Markt weniger», erklärt Haller. Doch das revidierte CO₂-Gesetz enthält keine solche Regelung. Der Bund erhebt keine CO₂-Abgabe auf fossile Treibstoffe, sondern nur auf Heizstoffe.
Am wenigsten umstritten von allen politischen Massnahmen, die die Sotomo-Befragung untersuchte, ist die Förderung privater Ladestationen. 43 Prozent der Befragten befürworten sie und erwarten dafür vom Staat eine aktivere Rolle.