Diskrete Aktion per Diplomaten-Kurier
Stumpen-Villiger verführte Kanzler Kohl mit edlen Zigarren

Mitten in der Europa-Krise zündete Bundesrat Kaspar Villiger seine Geheimwaffe: Er liess dem deutschen Kanzler Helmut Kohl per Diplomaten-Kurier diskret eine Zigarrenkiste schicken. Das enthüllen Briefe – und zeigen, warum Kohl berührt war.
Publiziert: 02.05.2025 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2025 um 07:23 Uhr
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Die Bundesräte Kaspar Villiger (l.), Flavio Cotti (2. v. l.) und Adolf Ogi (r.) empfangen 1993 in Bern den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Schweizer Bundesrat nutzte Zigarren für diplomatische Beziehungen mit Helmut Kohl
  • Kaspar Villiger schickte Zigarren über Diplomaten-Kurier nach Bonn
  • Schweizer Politik in der Europa-Krise nach dem EWR-Nein in den 1990er Jahren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Mit Charme, Rauch und Qualm – so kämpfte die Schweiz einst um ihre Zukunft in Europa! Briefe aus dem Bundesarchiv enthüllen: 1993 setzte FDP-Bundesrat Kaspar Villiger (84) auf edle Zigarren aus Familienhand, um den deutschen Kanzler Helmut Kohl (1930–2017) für unser Land zu gewinnen. Damit traf er beim mächtigsten Mann Europas voll ins Schwarze.

Wie kam es dazu? Nach dem Volksnein zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) herrschte in Bern Alarmstufe Rot. Der Bundesrat startete eine diplomatische Charmeoffensive. Ihr Höhepunkt: der Besuch von Helmut Kohl im Oktober 1993 auf dem Landgut Lohn bei Bern.

Neben Villiger mit am Tisch: seine Regierungskollegen Adolf Ogi (82, SVP), damals Bundespräsident, und Flavio Cotti (1939–2020, CVP). Fast vier Stunden dauerten die Gespräche. Speziell: Die Runde blieb unter sich. Beamte waren keine dabei, protokolliert wurde nichts. Kohl versprach danach: «Ich helfe der Schweiz bei den Europa-Verhandlungen.» Es habe «Top-Stimmung» geherrscht, berichtete ein Blick-Reporter.

Diskret verschickt über den Diplomaten-Kurier

Was damals nicht publik wurde: Villiger hatte noch mehr in der Hinterhand. Um die gute Stimmung zu halten, zündete er seine Geheimwaffe – Zigarren!

Der Luzerner stammt aus einer Familie von Zigarrenfabrikanten. Sein Bruder Heinrich Villiger (94) leitet bis heute den traditionsreichen Familienkonzern Villiger Söhne AG. Blick nannte den Bundesrat einst liebevoll «Stumpen-Villiger».

Diesen Brief liess Patron Heinrich Villiger über seinen Bruder, Bundesrat Kaspar Villiger, dem deutschen Kanzler Helmut Kohl zukommen.
Foto: zVg/Dodis

Kurz nach dem Treffen liess Villiger ein Päckchen mit Zigarillos und Zigarren an Kohl schicken – über den Diplomaten-Kurier gelangte es diskret in die damalige deutsche Hauptstadt Bonn. In seinem Begleitbrief schrieb er: «Mein Bruder hat mich gebeten, Ihnen die beiliegenden Zigarren weiterzuleiten. Sie mögen dem einen oder andern Ihrer Besucher gut munden!» Kohls Gedankengänge hätten ihn «tief beeindruckt», schwärmte Villiger.

Beigelegt war ein Schreiben Heinrich Villigers. Er freue sich «ganz besonders», Kohl «eine Sortimentskiste unseres Spitzenfabrikates» schicken zu dürfen, unterstrich er auf Firmenpapier. Dazu gab Patron Villiger einen kleinen Einblick in die Geschichte des Konzerns und die Werke in Deutschland.

Ein paar Zigarren für Vater Kohl

Kohl schien begeistert. In seinem Antwortbrief schrieb der CDU-Kanzler: «Ganz besonders bedanke ich mich für die freundliche Übersendung einer Sortimentskiste aus dem Hause Villiger durch Ihren Bruder. Über diese Aufmerksamkeit habe ich mich sehr gefreut.»

Die Briefe zu diesem diplomatischen Manöver lagern heute im Bundesarchiv. Sie wurden von Dodis, der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente Schweiz, zugänglich gemacht. 

Dass Bundeskanzler Kohl von Villiger Zigarren geschenkt bekam, war bis zur Freigabe der Briefe zwar nicht bekannt. Warum Tabakprodukte beim Kanzler einen hohen Stellenwert hatten, schilderte Kaspar Villiger aber in einem Buch. 

Er berichtete von einer Anekdote, die Kohl ihm anvertraut hatte: Jede Woche habe der junge Helmut ein Kännchen Bier und ein paar «Villinger-Stumpen» (!) für seinen Vater in der Schenke holen müssen. Kein Wunder, dass Kohl den Bundesrat bis zuletzt «Herr Villinger» nannte – ein Versprecher, den Villiger mit einem Lächeln hinnahm. 

Helmut Kohl war einst als leidenschaftlicher Pfeifenraucher bekannt, legte die Pfeife später jedoch zur Seite. Stattdessen griff er gelegentlich zu Zigarren.

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