Darum gehts
- Nach jahrelangem Ringen haben sich die Bürgerlichen im Ständerat auf eine Lockerung der Waffenexporte geeinigt
- Die Lösung geht sogar noch weiter als der Vorschlag des Bundesrats
- So soll Rüstungsindustrie gerettet und Durchhaltefähigkeit der Armee gewährleistet werden
Der Ständerat will endlich Nägel mit Köpfen machen. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs ringt die Schweiz mit dem Kriegsmaterialgesetz (KMG). Erst vor rund drei Jahren verschärft, verbietet dieses etwa die Weitergabe von Rüstungsgütern an Länder in einem bewaffneten Konflikt. Deutschland durfte keine Gepard-Munition an die Ukraine weitergeben, Dänemark keine Piranha-Schützenpanzer, Spanien keine Flugabwehrkanonen. Bern hat sich damit keine Freunde gemacht. Mehrere Staaten haben angekündigt, keine Schweizer Waffen mehr kaufen zu wollen.
Das bringt die Schweiz unter Druck. Nicht nur diplomatisch; die hiesige Rüstungsindustrie gerät in Gefahr. Ihr droht der überlebenswichtige Markt im Ausland wegzubrechen. Und ohne Waffenschmieden im eigenen Land ist die Durchhaltefähigkeit der Schweizer Armee gefährdet. Bisher scheiterten alle Lösungsansätze – nun aber glauben die Bürgerlichen im Ständerat, eine mehrheitsfähige Lösung gefunden zu haben. Am Mittwoch wollen sie diese unter Dach und Fach bringen.
In 25 Staaten soll Export grundsätzlich erlaubt sein
Die Lösung fusst auf einem Vorschlag der vorberatenden Sicherheitskommission: Während derzeit für die Ausfuhr von Kriegsmaterial stets Einzelbewilligungen nötig sind, soll neu für 25 Staaten mit ähnlichen westlichen Werten eine Ausnahme gelten. Dazu zählt ein Grossteil der Nato-Staaten sowie Argentinien, Australien, Irland, Japan, Neuseeland und Österreich.
Künftig soll der Export in diese Länder grundsätzlich erlaubt sein. Darauf hat sich das Gros von SVP, FDP und Mitte geeinigt. «Die Mehrheiten in der kleinen Kammer sollten damit klar sein», zeigen sich Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (66) und FDP-Ratskollege Josef Dittli (68) zuversichtlich.
Die Lösung soll den Vorschlag des Bundesrats ersetzen, der ebenfalls die Bewilligungspraxis mit vergleichbaren Rechtsstaaten lockern möchte. Mit der Gesetzesänderung würde die Regierung Spielraum erhalten, um die Ausfuhrpolitik für Kriegsmaterial an sich ändernde geopolitische Gegebenheiten anpassen zu können. So will der Bundesrat die innen- und aussenpolitischen Interessen der Schweiz wahren.
Lösung soll nicht mehr rückwirkend sein
Die Bürgerlichen aber bevorzugen die Version ihrer Sicherheitskommission. Und das ist noch nicht alles. Kurzfristig hat FDP-Ständerat Thierry Burkart (49) noch einen Einzelantrag eingereicht, der bei den Bürgerlichen ebenfalls eine Mehrheit erreichen dürfte. Demnach wäre für dieselben 25 Staaten die Wiederausfuhr von Waffen und Munition immer möglich. Sie sollen frei darüber verfügen können.
Im Gegensatz zu einem früheren Lösungsansatz soll das aber nicht rückwirkend gelten, sondern erst ab Inkrafttreten des Gesetzes. Damit ist auch die SVP mit im Boot. Diese hatte sich gegen eine Rückwirkung gewehrt, weil sie durch die dadurch mögliche Ukraine-Unterstützung die Neutralität der Schweiz in Gefahr sah. Die neue Lösung dagegen dürfte der Ukraine kaum mehr nützen.
«Ich bin gottenfroh, dass wir endlich eine Lösung gefunden haben, auch wenn wir eigentlich zwei Jahre zu spät sind», kommentiert SVP-Sicherheitspolitiker Werner Salzmann (62). «Um unsere Sicherheit gewährleisten zu können, brauchen wir weiter eine eigene Rüstungsindustrie.»
Volk hat wohl das letzte Wort
Stimmt die Ständeratsmehrheit am Mittwoch wie erwartet zu, wird sich der Nationalrat noch damit befassen müssen. «Bei einem klaren Ergebnis im Ständerat sollten aber auch im Nationalrat die Chancen gut stehen», sagt Häberli-Koller.
Zuletzt aber wird wohl ohnehin das Volk über eine mögliche Export-Lockerung entscheiden müssen. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hat bereits das Referendum angekündigt, sollte das Parlament zustimmen. «Ich bin aber überzeugt, dass wir diese Abstimmung gewinnen können und werden», sagt SVP-Ständerat Salzmann. «Schliesslich hat sich die weltpolitische Lage dramatisch verändert.»