Darum gehts
- SVP-Initiative gegen 10 Millionen Einwohner in der Schweiz
- Mitte-Präsident Gerhard Pfister schlägt Gegenvorschlag vor
- Gegenvorschlag zielt auf nachhaltige Migrationspolitik ohne Kündigung der EU-Personenfreizügigkeit
10 Millionen Menschen in der Schweiz vor 2050. Das will die SVP mit ihrer Zuwanderungs-Initiative verhindern – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen.
Die Initiative sieht dabei zwei Stufen vor: Sobald die ständige Wohnbevölkerung die Limite von 9,5 Millionen Menschen überschreitet, muss der Bundesrat Massnahmen treffen – insbesondere im Asylbereich und beim Familiennachzug. Zudem soll der Bundesrat bei zuwanderungsrelevanten Abkommen eine allfällige Schutzklausel anrufen oder einen neuen Deal aushandeln. Wird die 10-Millionen-Marke trotzdem überschritten, sieht die Initiative die Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU vor.
Mitte-Pfister beantragt Gegenvorschlag
Bei den andern Parteien stösst die Initiative auf Ablehnung. FDP, SP, GLP und Grüne wollen diese ohne Gegenvorschlag vors Volk bringen. Einen Spalt offen hingegen lässt die Mitte. Allen voran Noch-Parteichef Gerhard Pfister (62). Dieser macht nun Nägel mit Köpfen!
Für die Sitzung der Staatspolitischen Kommission vom Donnerstag hat er einen konkreten Gegenvorschlag eingereicht, wie Blick erfahren hat. Sein Titel: «Bundesbeschluss über eine nachhaltige Migrationspolitik». Dabei möchte er die Bundesverfassung um einen «Artikel 73a Nachhaltige Bevölkerungsentwicklung» ergänzen.
Pfister orientiert sich dabei an der Zielsetzung der SVP-Initiative. «Um die Zielgrösse einer ständigen Wohnbevölkerung von 10 Millionen einzuhalten, sorgt der Bundesrat bei Überschreitung von 9,5 Millionen für geeignete Massnahmen», heisst der entscheidende Passus im Pfister-Vorschlag. «Bei der Ermittlung dieses Schwellenwerts bleibt die Zuwanderung aufgrund humanitärer Verpflichtungen unberücksichtigt.» Sprich: Der Asylbereich wäre damit ausgenommen.
Verhandeln ja, kündigen nein
Im Gegensatz zum SVP-Begehren will Pfister eine zwingende Kündigung der EU-Personenfreizügigkeit verhindern. Das geht aus einem weiteren, etwas umständlich formulierten Passus hervor.
Blick gibt ihn hier im Original-Wortlaut wieder: «Sollte sich weisen, dass die Zielgrösse nicht eingehalten werden kann, ohne die Zuwanderung aus dem europäischen Freizügigkeitsraum zu beeinflussen, nimmt der Bundesrat mit der Europäischen Union Verhandlungen auf mit dem Ziel, eine verbindliche Bestimmung im Rahmen des Abkommens über die Freizügigkeit zu vereinbaren, welche dessen bestehende Schutzmechanismen ergänzt und eine nachhaltige Steuerung der Zuwanderung ermöglicht.»
Was passiert, wenn die Verhandlungen ergebnislos verlaufen, bleibt in Pfisters Gegenvorschlag aussen vor.
Allerdings möchte es der Mitte-Chef gar nicht so weit kommen lassen, dass Verhandlungen nötig werden. So will er im neuen Verfassungsartikel weitere Punkte festschreiben. Demnach soll sich Zuwanderung zwar auf den Bedarf an Arbeitskräften ausrichten, gleichzeitig soll aber das inländische Arbeitskräftepotenzial besser ausgeschöpft werden.
Auch die Integration von Zugewanderten am Arbeitsplatz möchte er gefördert wissen. Und schliesslich pocht er auf «raumplanerische und infrastrukturelle Massnahmen zur Begrenzung des Ressourcenverbrauchs unter Berücksichtigung der regionalen Disparitäten».
SVP gegen «zahnlosen Gegenvorschlag»
Klar ist: FDP, SP, GLP und Grüne lehnen einen Gegenvorschlag vehement ab. Sie wollen die SVP-Initiative möglichst rasch vors Volk bringen, um möglichst im ersten Halbjahr 2026 Klarheit zu schaffen.
Für den Gegenvorschlag ist Pfister deshalb auf die SVP-Stimmen angewiesen. Zusammen kommen Mitte und SVP in der Kommission mit 13 von 25 Stimmen auf eine knappe Mehrheit. Dass die SVP einlenkt, scheint aber unwahrscheinlich, warnte sie doch schon im Vorfeld vor einem «zahnlosen Gegenvorschlag».
Pfister selbst schreibt auf Blick-Anfrage: «Ich äussere mich nicht zu Kommissionsgeschäften vor der Beratung.»