«Ich habe nicht verhandelt, das war das Seco»
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Keller-Sutter zum Zoll-Hammer:«Ich habe nicht verhandelt, das war das Seco»

Brisante Ideen, um Zollhammer noch abzuwenden
Welche Opfer kann die Schweiz für Trump noch bringen?

Ab dem 7. August erheben die USA Strafzölle von 39 Prozent auf Schweizer Importe. Der Schweiz bleiben einige Tage, um zu verhandeln. Welche Strategie braucht es nun? Das sagen Politiker und Politikerinnen – und Tipps gibts auch von alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey.
Publiziert: 02.08.2025 um 11:46 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2025 um 14:26 Uhr
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Zollschock für die Schweiz: US-Präsident Donald Trump verhängt Strafzölle von 39 Prozent auf Schweizer Produkte.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Darum gehts

  • USA verhängen heftige Strafzölle auf Schweizer Importe
  • Mögliche Gegenmassnahmen: F-35-Beschaffung stoppen, Goldhandel regulieren, Pharmapreise anpassen
  • Politikerinnen und Politiker zeigen auf, was die Schweiz nun noch tun könnte
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Die Uhr tickt. Die Amerikaner haben Strafzölle auf Schweizer Importe von 39 Prozent ab dem 7. August verhängt. Es bleiben wenige Tage, um doch noch einen Deal abzuschliessen – so wie das etwa auch der EU gelungen ist. Den Berner Diplomaten stehen wohl kurze Nächte bevor.

Aber wie kann die Schweiz US-Präsident Donald Trump (79) noch umstimmen? Die Verhandlungsstrategie des Bundesrats hat offensichtlich nicht funktioniert. In der Politik werden nun Forderungen nach einer Abkehr von der bisherigen Strategie, nach Gegenmassnahmen oder Zugeständnissen laut – brisante Vorschläge liegen auf dem Tisch. Gleichzeitig gibt es prominente Stimmen, die von Gegenmassnahmen abraten – darunter alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (80).

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Höhere Anforderungen an US-Firmen

FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (62) hat bereits für die nächste Sitzung der Aussenpolitischen Kommission Vorschläge für Gegenmassnahmen eingereicht.

Im Gespräch mit Blick kündigt er an: «Wir müssen ernsthaft prüfen, ob wir gegenüber Staaten ohne Freihandels- oder Wirtschaftsabkommen höhere Anforderungen bezüglich Qualitätsprüfungen und Zertifizierungen stellen wollen», so Portmann. «Dazu gehört etwa, dass sie eine juristische Person mit Sitz in der Schweiz und lokale Verantwortungsträger benennen müssen, die im Fall von Gesetzesverstössen haftbar gemacht werden kann.»

Das würde nicht nur für die USA gelten, sondern für alle Länder, mit denen die Schweiz keine Wirtschaftsabkommen hat. Der FDP-Politiker sieht darin eine grundsätzliche Entwicklung: «Der globale Markt wird immer protektionistischer. Jeder schaut nur noch auf sich selbst. Es liegt an uns, unseren Heimmarkt mit seinen Arbeitsplätzen besser zu schützen.»

2

Zugeständnisse bei Agrarzöllen

Die Schweiz könnte Trump in der Hoffnung auf einen Deal auch weiter entgegenkommen. Müssen dafür die Bauern bluten? Schon nach dem Zollhammer im April kam die Forderung auf, Zugeständnisse bei Agrarzöllen zu machen, um Trump zu besänftigen. «Wir könnten Zölle für amerikanisches Rindfleisch reduzieren oder für Orangen aufheben», schlug etwa FDP-Präsident Thierry Burkart (49) vor. Man könnte über Zölle für einzelne Waren verhandeln, «die für die USA wichtig sind und für uns weniger». 

Auch die Jungfreisinnigen fordern ein Bauernopfer: Die Schweiz solle ihre hohen Landwirtschaftszölle schrittweise abbauen. Symbolisch dürfte dieser Schritt nicht unterschätzt werden: Die Agrarzölle gehören zu den von der US-Regierung am stärksten kritisierten Importhürden in der Schweiz.

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Gegenzölle

Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy (47) bringt Gegenzölle ins Spiel. «Wir müssen weiterverhandeln und im Dialog bleiben, auch wenn der Ausgang ungewiss ist», so Bregy. «Allerdings müssen wir auch als kleines Land irgendwann Haltung zeigen. Der Bundesrat soll deshalb Gegenmassnahmen und mögliche Zölle prüfen.»

Gegenzölle seien in Bereichen denkbar, in denen die Schweiz genügend produziere oder andere Länder ausreichend liefern könnten. «Wir könnten im Lebensmittelbereich, etwa bei Wein und Bier, Massnahmen ergreifen. Dort sind wir ausreichend versorgt.» Auch in der Automobilindustrie oder bei elektronischen Produkten seien Gegenzölle möglich, da es genügend alternative Lieferanten aus anderen Ländern gebe.

«Es ist durchaus möglich, dass Gegenmassnahmen wie auch die Massnahmen zur Stabilisierung der Exportindustrie die Eidgenossenschaft in einer ersten Phase etwas kosten», so der Walliser. «Aber wir müssen bereit sein, diesen Preis zu tragen, wenn es um unsere wirtschaftliche Souveränität und den Erhalt von Arbeitsplätzen geht.»

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Massnahmen im Goldgeschäft

Trump hat am Samstagmorgen nochmals klargemacht: Grund für die Erhöhung der Zölle ist das Handelsdefizit gegenüber der Schweiz. «Ich habe gestern mit der Schweiz gesprochen, aber wir haben ein Defizit von 40 Milliarden Dollar.»

Das Goldgeschäft ist ein wesentlicher Faktor für den Schweizer Handelsüberschuss: In den letzten Monaten stieg die Nachfrage nach Gold an – und in der Schweiz wird ein Grossteil des Edelmetalls weiterverarbeitet. Dieser Goldfluss wurde der Schweiz als Export in die USA angerechnet.

Dementsprechend könnte auch im Goldhandel ein möglicher Verhandlungshebel liegen. FDP-Portmann schlägt etwa vor, das Transitgeschäft für Staaten ohne Freihandelsabkommen mit einer Nachhaltigkeits-Abgabe zu belegen. So würde man den wirtschaftlichen Schaden von Zöllen kompensieren.

Es sei auch möglich, dass «handelsfeindlichen Staaten» vorübergehend verboten wird, Gold in der Schweiz zu raffinieren – oder die Gewinne daraus höher besteuert werden. «Dann erkennt die US-Regierung vielleicht, dass ein Grossteil des Handelsbilanzdefizits nicht durch eine angebliche Diskriminierung entsteht, sondern durch ihr eigenes Verhalten im Goldmarkt.»

5

Zugeständnisse bei Pharmapreisen

Gegenüber Bloomberg benannte der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer die Pharma-Branche als Mitgrund für das US-Handelsdefizit – und damit für die hohen Zölle. «Sie liefern riesige Mengen an Arzneimitteln in unser Land. Wir wollen Arzneimittel in unserem Land herstellen.»

In einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schlug der Schweizer Ökonom Hans Gersbach denn auch vor, dass die Schweiz «Zugeständnisse bei den Pharmapreisen» machen könnte. Die Pharmaindustrie macht mehr als die Hälfte der Warenexporte in die USA aus.

6

Abbruch der F-35-Beschaffung

Der Bundesrat hätte die Möglichkeit, den Vertrag für den Kampfjet F-35 aufzukündigen. Der Bundesrat gab kürzlich bekannt, dass bei der Beschaffung der Kampfjets Mehrkosten von 650 Millionen bis 1,3 Milliarden Dollar drohen.

Entsprechende Forderungen wurden zuvor in linken Kreisen laut. Bemerkenswert: Obwohl sich die FDP klar zur Beschaffung der F-35-Kampfjets bekannt hat, stellt FDP-Aussenpolitiker Portmann diesen Kurs nun infrage. Er hat dazu einen zweiten Antrag in der Kommission eingereicht. «Die F-35-Kampfjets sind nun wieder zu einem politischen Geschäft geworden. In der jetzigen Lage kann man nicht einfach so weitermachen, als wäre nichts passiert. Die Frage stellt sich, ob wir die Reissleine ziehen sollten.»

Heisst konkret? «Entweder nehmen wir einen Verlust in Kauf und brechen den Vertrag ab – oder wir beziehen nur das, was wir bereits bezahlt haben, stoppen die nächsten Lieferungstranchen aus den USA und füllen unsere Verteidigungslücken durch Beschaffungen aus Europa. Das muss jetzt sorgfältig geprüft werden.»

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Klage bei der WTO

Die allerletzte Hoffnung für die Schweiz könnten ausgerechnet fremde Richter sein: Für den emeritierten Professor für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht an der Universität Bern, Thomas Cottier (75), ist klar: «Ich bin überzeugt, dass diese Zölle rechtswidrig sind.»

Dies sagte er gegenüber Blick schon am Donnerstag – noch bevor klar war, dass es keinen Deal geben wird. Die «exorbitanten Zölle» der US-Regierung würden gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstossen, ist sich Cottier sicher.

Was eine solche Klage bringt, ist allerdings unklar. «Es würde dann ein Verfahren durchgeführt, mit der Wirkung, dass die WTO die Rechtswidrigkeit der US-Zollpolitik feststellt.» Erst dann wäre es der Schweiz erlaubt, Gegenmassnahmen anzudrohen und allenfalls zu ergreifen. 

Zudem blockiert die USA seit Jahren die Besetzung der Richterstellen in der WTO. «Sie erkennen den Mechanismus faktisch nicht mehr an. Eine Klage wäre lediglich symbolisch», sagt etwa FDP-Portmann. 

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Was bleibt der Schweiz sonst?

Ob solche Gegenmassnahmen Trump wirklich beeindrucken, ist allerdings unklar. Sie dürften ihn jedenfalls kaum zu einem Abkommen bewegen – auch die EU musste tief in die Tasche greifen, um einen Deal zu erreichen. Für 600 Milliarden Dollar soll sie in den USA investieren, für 750 Milliarden US-Energie kaufen. Dazu schafft sie ihre Zölle auf US-Produkte fast komplett ab.

Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey rät gegenüber Blick von Gegenmassnahmen ab – als Aussenministerin hat sie viel mit den USA verhandelt. «Die Schweiz ist mit ihren neun Millionen Einwohnern schlicht zu klein, um Gegenmassnahmen zu beschliessen», sagt sie. «Wenn die Beziehung zwischen den verhandelnden Ländern asymmetrisch ist, wie dies zwischen den USA und der Schweiz der Fall ist, sind Verhandlungen der richtige Weg.» Es bleibe noch etwas Zeit, um vielleicht auf ein besseres Resultat zu hoffen. 

Der US-Handelsbeauftragte Greer zeigte nicht unbedingt viel Zuversicht für einen Deal. Dass es jetzt noch ein Abkommen gebe, sei «nicht mein Fokus». Natürlich könne jedes Land jederzeit mit den USA reden. «Aber wir konzentrieren uns jetzt wirklich darauf, die bereits getroffenen Vereinbarungen umzusetzen.»

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