«Es muss viel weggeworfen werden»
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TPO-Verbot bei Nagelstudios:«Es muss viel weggeworfen werden»

Ärger wegen neuer EU-Regel
«Ich verliere Tausende Franken – Nagellack landet im Sondermüll»

Eine EU-Regulierung sorgt für Aufruhr in Schweizer Nagelstudios. Das Verbot des Inhaltsstoffs TPO ab September zwingt Betreiber, ihr Sortiment eiligst anzupassen und teure Produkte zu entsorgen. Deutschland dagegen geht mit der EU-Regel pragmatischer um.
Publiziert: 13.08.2025 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2025 um 08:41 Uhr
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«Ich verliere Tausende Franken, weil ich viele Produkte im Sondermüll entsorgen muss», sagt Nina Gasperin, Inhaberin des Nagelstudios Ni.Nails.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

  • EU-Regulierung betrifft Schweizer Nagelstudios: TPO-Verbot ab September
  • Kurze Frist für Anpassung sorgt für Ärger bei Studioinhabern
  • Schätzungsweise 3500 Nagelstudios in der Schweiz betroffen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Wo sonst farbenfrohe Nagellackfläschchen glänzen, hat die Bürokratie Einzug gehalten. Eine neue EU-Regulierung trifft die schätzungsweise 3500 Nagelstudios in der Schweiz teilweise hart.

Ab Anfang September gilt ein Verbot der Chemikalie TPO (Trimethylbenzoyl Diphenylphosphine Oxide) in kosmetischen Mitteln. Der Stoff sorgt dafür, dass die lackierten Nägel besonders unter UV-Lampen schnell erhärten.

Was viele verärgert: Erst am 18. Juli informierte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in einer Mitteilung über das TPO-Verbot – es bleibt also kaum Zeit, das Sortiment anzupassen. Wenn die Studios überhaupt mitbekommen haben, dass das BVL eine entsprechende Meldung auf seiner Website veröffentlicht hat.

TPO steht im Verdacht, die Fruchtbarkeit von Frauen negativ zu beeinflussen oder zur Schädigung des ungeborenen Kindes während der Schwangerschaft zu führen.

Inhalte nicht immer klar deklariert

Nina Gasperin (37), Inhaberin eines Nagelstudios in Kriens LU, sortiert in diesen Tagen viele Lacke aus. «Ich verliere Tausende Franken, weil ich viele Produkte im Sondermüll entsorgen muss», sagt sie. Dass die als giftig deklarierten Stoffe aus dem Verkehr gezogen werden, befürwortet sie klar – doch die kurze Frist macht ihr zu schaffen. So hat Gasperin erst kürzlich Produkte für ihr Geschäft bestellt, die sie nun direkt wieder entsorgen muss.

«Für mich ist nicht so einfach, herauszufinden, ob der verbotene Stoff überhaupt in einem Produkt enthalten ist», erzählt sie. So werde dies von den Herstellern teilweise online nicht deklariert. «Erst wenn ich die Produkte in den Händen habe, sehe ich die Inhaltsstoffe auf der Etikette.» Über das neue TPO-Verbot sei sie auch eher zufälligerweise gestossen. Sie befürchtet darum, dass viele ihrer Kolleginnen in der Branche gar nichts davon wissen.

Bundesamt zeigt auf EU

Der Entscheid geht nicht auf das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit zurück. «Es handelt sich nicht um einen eigenständigen Entscheid der Schweiz, sondern um die automatische Übernahme einer verbindlichen EU-Änderung gemäss der geltenden Schweizer Rechtsgrundlage», heisst es beim BLV auf Anfrage von Blick.

Iris Kuchler (39) ist Präsidentin des Berufsverbands Swissnaildesign. Ihr Verein hat seine rund 50 Mitglieder bereits im März darüber informiert, dass das TPO-Verbot kommen dürfte. Doch ihr Verband vertritt nur einen kleinen Teil der Branche.

Beim zuständigen Bundesamt ist man sich bewusst, dass insbesondere kleinere Studios die Information über das Verbot allenfalls noch nicht mitbekommen hätten. «Es liegt in der Verantwortung der Betriebe, sich aktiv über geltende Anforderungen zu informieren, beispielsweise über ihre Branchenverbände oder Fachplattformen», heisst es auf Anfrage von Blick. Für die Kontrolle der Studios zuständig sind die Kantone.

Deutschland setzt anders um

Auch Kuchler sagt, es sei «speziell», dass es keine Übergangsfrist gebe. Darum erwische das Verbot einige Studios auf dem falschen Fuss, allerdings gebe es auf dem Markt bereits TPO-freie Alternativen.

Der Verband nahm ausserdem mit Verwunderung zur Kenntnis, dass in Deutschland das gleiche Gesetz offenbar anders ausgelegt wird: Dort werden TPO-Produkte schrittweise vom Markt genommen – wenn ein Nagelstudio sie noch im Sortiment hat, darf man sie dort noch aufbrauchen. Anders hier: Laut den kantonalen Behörden ist das «fahrlässige Inverkehrbringen» von TPO-Produkten ab dem 1. September strafbar.

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