Wenn es dem scheidenden Mitte-Chef Gerhard Pfister (62) passt, dann ist er ein Freund der Pressefreiheit und sagt über die SRG: «Ich bin kritisch gegenüber vielen Entscheidungen der Unternehmensleitung, nicht der Arbeit der Journalistinnen und Journalisten.» Doch wenn es ihm nicht passt, kehrt der SRG-Kritiker den Spiess um und wendet sich an die SRG-Spitze, um seinen Unmut über journalistische Recherchen kundzutun.
So etwa im Vorfeld der investigativen RTS-Sendung «Mise au point», die den Machtkampf in der Mitte unter die Lupe nahm. So weit, so harmlos. Doch der Beitrag ging auch der Kritik am Führungsstil im Mitte-Generalsekretariat nach sowie Vorwürfen, über die Blick 2023 erstmals berichtet hatte.
Mehrere Anwälte involviert
Pfister intervenierte direkt bei SRG-Direktorin Susanne Wille (50) und RTS-Direktor Pascal Crittin (57). Später meldete sich ein Medienanwalt noch eine Etage höher – bei Pfisters Parteikollege Jean-Michel Cina (61), dem SRG-Verwaltungsratspräsidenten. Insgesamt waren mehrere Anwälte involviert.
Im Gespräch mit Blick hält Pfister fest, er habe die redaktionelle Arbeit nicht beeinflussen, sondern die SRG darauf aufmerksam machen wollen, dass sie die Persönlichkeitsrechte von allen Mitarbeitenden und damit auch von Mitte-Generalsekretärin Gianna Luzio (45) zu respektieren hätten – auch Luzios Führungsstil war Thema des RTS-Beitrages. Pfister: «Ich habe die SRG-Führung informiert, dass die RTS-Journalistin anders als andere Redaktionen kein Interesse an fundierten Hintergrundinformationen hatte und darum bis heute über solche nicht verfügt. Wir werden darum das Gespräch mit den SRG-Verantwortlichen führen müssen.» Wie im RTS-Beitrag zu sehen ist, fand allerdings ein Hintergrundgespräch zwischen der Journalistin und der abtretenden Mitte-Generalsekretärin Luzio statt.
Trotz seines Unmuts will der promovierte Literaturwissenschaftler an seiner neuen SRF-Rolle festhalten: Seit Ende Februar ist Pfister Kritiker des SRF-«Literaturclubs». Pfister: «Ich werde auch weiterhin die SRG kritisch-konstruktiv begleiten.» Cina war für Blick nicht zu erreichen, Wille wollte sich nicht äussern.
Alt Bundesrichter soll klärendes Gespräch führen
Mitte-intern geht die Diskussion derweil weiter. Nach Informationen von Blick haben sich sieben ehemalige Mitarbeitende in einem Schreiben an das Parteipräsidium gewandt – dieses Mal mit vollem Namen und nicht wie bislang anonym. Sie fordern eine unabhängige Aufarbeitung von Missständen im Mitte-Generalsekretariat. Das Parteipräsidium hat darauf reagiert und ihnen ein Gespräch mit alt Bundesrichter Heinz Aemisegger (78) angeboten. Pfister betont, bisherige Abklärungen hätten Generalsekretärin Gianna Luzio eine gute Führung attestiert – im Generalsekretariat herrsche ein gutes Arbeitsklima.