Diese schaffe die Grundlage für die kommerzielle Nutzung von Schweizer Passdaten durch grosse Tech-Konzerne und andere Unternehmen, schrieb das Komitee in seiner Medienmitteilung zur Medienkonferenz. Das Gesetz sei damit ein Steilpass für die Überwachungsökonomie: Firmen könnten von ihren Kundinnen und Kunden einen E-Ausweis verlangen und damit staatlich verifizierte Personendaten sammeln.
Das Komitee sieht auch einen Schaden für die Demokratie - etwa durch das Erstellen von Profilen und gezielte Werbung. Denn die Polarisierung durch Algorithmen auf Social-Media-Plattformen verzerre den demokratischen Diskurs. Für die Erledigung von Behördengängen im Internet gebe es schon heute andere technische Lösungen. Mängel sieht das Komitee zudem beim Datenschutz. Im Gesetz fehle zudem eine griffige Garantie, dass die E-ID freiwillig bleibe.
Es sei irreführend, wenn die Befürworterseite suggeriere, für digitale Behördengänge brauche es die E-ID, sagte Monica Amgwerd, Generalsekretärin der Organisation «Digitale Integrität Schweiz».
«Viel besser als eine ID für alles wären viele IDs für vieles»
Laut Gesetz könnten Firmen immer dann einen Ausweis verlangen, wenn es darum gehe, Identitätsdiebstahl auszuschliessen, warnte sie. Dies sei praktisch immer der Fall. Sie gab zudem zu bedenken, dass Passdaten im Datenhandel besonders wertvoll seien - und nun auf den Servern von Firmen zu landen drohten.
«Wir geben Daten ab, wir wollen aber verhindern, dass diese Daten verknüpft werden», erklärte Amgwerd auf Nachfrage. Genau diese Verknüpfung ermöglichten aber eine einheitliche Identifikation. «Viel besser als eine ID für alles wären viele IDs für vieles.»
Zudem könne die Infrastruktur der E-ID für ein Sozialkreditsystem verwendet werden, hiess es. In solchen Systemen würden Menschen überwacht, mit einem Punktesystem bewertet und so zu von der Regierung erwünschtem Verhalten angehalten. Im Gesetz fehle ein Ausschluss derartiger Verwendungen der Technologie.
Krach im Nein-Lager
Das Komitee wird getragen von der von früheren Mitgliedern der Piratenpartei gegründeten Gruppe «Digitale Integrität Schweiz», der Jungen SVP, der EDU sowie der Organisation «Freunde der Verfassung». Unterschriften gegen das E-ID-Gesetz gesammelt haben auch weitere Organisationen, darunter Mass-voll sowie die Piratenpartei. Diese führen jedoch eigene Nein-Kampagnen.
Roland Bühlmann von den Freunden der Verfassung setzte die Schwerpunkte seiner Argumentation etwas anders als Amgwerd. Als Liberaler sehe er die Gefahr durchaus auch als vom Staat ausgehend. Die E-ID sei ein Projekt der Verwaltung für die Verwaltung, das an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigehe.
«Auch als Techniker ist es für manchmal erschreckend, wie viel mein Telefon über mich weiss. Ich überlasse ihnen die Vorstellung, was passiert, wenn wir das mit einem digitalen Ausweis verknüpfen», so Bühlmann. Es drohe das Ende der Anonymität im Internet.
«Dient die digitale Infrastruktur dem Menschen, oder dient der Mensch bald der digitalen Infrastruktur?», fragte der Berner EDU-Grossrat Samuel Kullmann rhetorisch. Das E-ID-Gesetz führe in eine Welt mit mehr staatlicher Kontrolle und weniger Freiheit.
Der Berner Grossrat Niels Fiechter von der Jungen SVP bezeichnete das Gesetz als «undemokratische Zwängerei». Dass nur wenige Jahre nach dem klaren Nein zur ersten E-ID-Vorlage erneut abgestimmt werde, sei eine Verachtung der Demokratie und Zeichen einer gezielten Zermürbungstaktik.
Jonas Sulzer von «Digitale Integrität Schweiz» betonte das Grundrecht auf ein Leben ohne Internet. Nur wenn es respektiert werde, sei gewährleistet, dass die Digitalisierung nicht zu verschärfter Diskriminierung führe. Das E-ID-Gesetz aber garantiere nicht, dass Dienstleistungen in der analogen Welt erhalten blieben und der Zugang zu ihnen nicht erschwert werde.
Die Stimmenden befinden am Abstimmungssonntag von 28. September über das E-ID-Gesetz. Die Vorlage wird von einer breiten parlamentarischen Allianz getragen.
Ein erster Anlauf zur Einführung eines elektronischen Ausweises scheiterte 2021 an der Urne. Für Kritik sorgte damals insbesondere, dass private Unternehmen die E-ID ausstellen sollten. Dies ist bei der neuen Vorlage nicht mehr vorgesehen.
Bereits im Juni warben Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SVP, FDP, Mitte, GLP, SP und Grünen an einer gemeinsamen Medienkonferenz dafür. Sie betonten insbesondere, die neue Lösung sei zu hundert Prozent staatlich und Daten würden dezentral auf dem Handy der Nutzerin oder des Nutzers gespeichert. Dadurch sei der Datenschutz gewährleistet.