Darum gehts
- Barbara Bleisch startet Podcast «Zimmer 42» über Philosophie und Psychologie
- Philosophie als Therapie: Trost durch Reflexion und offene Fragen
- Bleisch moderiert «Sternstunde Philosophie» seit 2010 für SRF
Seit Anfang Juni empfängt Barbara Bleisch (52) alle zwei Wochen zu ihrem neuen Podcast «Zimmer 42», eingebettet in die SRF-Sendereihe «Sternstunde Philosophie». «Denken ist lustvoll, Offenheit ist Pflicht», heisst das Credo. Bleisch gelingt es scheinbar spielend, ein breites Publikum zu tieferen Gedanken über ihr eigenes Leben anzuregen.
Blick trifft Bleisch im Bistro «Karl der Grosse» im Zürcher Niederdorf. «Zimmer 42» heisst ihr Podcast in Anlehnung an eine Szene aus dem Science-Fiction-Roman «Per Anhalter durch die Galaxis» von Douglas Adams (1952–2001). Dort spuckt der Supercomputer «Deep Thought» die Zahl 42 nach sieben Millionen Jahren Rechenzeit als Antwort auf die Frage «nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest» aus. Das wirkt komplett absurd. Bleisch versteht die Zahl denn auch als eine Chiffre für die Schwierigkeit, eine abschliessende Antwort auf die Sinnfrage zu geben.
«Terry Eagleton schreibt in seinem Buch ‹Der Sinn des Lebens›, dass sich der Sinn nicht wie der Blinddarm im Bauch unten rechts befinde. Damit meint er: Der Sinn lässt sich nicht lokalisieren, nicht von aussen zuschreiben und schon gar nicht berechnen. Den Sinn muss man seinem Leben selbst geben. Die Sinnfrage stellt sich uns Menschen als eine Aufgabe dar.»
Lebenskunst im besten Sinn
Ins «Zimmer 42» möchte Bleisch Menschen an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Psychologie einladen – Menschen eben, die sich mit existentiellen Fragen auseinandersetzen. «Das kann auch mal ein Künstler, eine Schriftstellerin oder ein Journalist sein.» Den Anfang machte Autorin Nina Kunz (32), am 17. Juni folgt Philosophin Svenja Flasspöhler (50). «Es müssen Personen sein, die vertieft über eine konkrete Lebensfrage nachgedacht haben und ihre Einsichten dazu teilen möchten – durchaus persönlich. Am Ende des Tages kämpfen wir doch alle mit ähnlichen Sorgen und Nöten. Ein grosser Trost liegt schon mal darin, zu merken, dass wir damit nicht ganz allein sind.»
Ihre Rolle in «Zimmer 42» sieht Bleisch etwas anders als in den Sendungen von «Sternstunde Philosophie». «Während ich dort die Moderatorin bin, bringe ich mich hier nicht nur als Philosophin, sondern auch persönlich ein. Podcasts leben von Nahbarkeit und Offenheit. Der Podcast bietet ausserdem im Unterschied zur TV-Sendung im besten Sinn Lebenskunst an – was Philosophie vor allem in der Antike immer auch war. Das heisst nicht, dass Philosophie in die Ratgeberecke abdriftet, sondern dass ich einen Raum öffnen will, um ehrlich über die Fallstricke des Lebens zu sprechen. Ich glaube ohnehin, dass wir zu schnell mit Tipps zur Hand sind, wenn jemand Trost sucht. Tröstlich ist meist nicht der Ratschlag, sondern zuzuhören und Fragen zu stellen.»
Bleisch wurde in Basel geboren und wuchs als Tochter eines Landarztes grösstenteils in Niedergösgen SO auf. In Aarau besuchte sie die Kantonsschule, heute lebt sie mit ihrer Familie in Zürich. «Dass es mich zu den Geisteswissenschaften ziehen würde, war rasch klar.» Schliesslich studierte sie Philosophie im Hauptfach, Germanistik und Religionswissenschaften im Nebenfach.
Früh prägend war für Bleisch das Buch «Praktische Ethik» des australischen Philosophen Peter Singer (78), das sie in ihrer Studienzeit in Tübingen (D) las. «Es hat mich produktiv irritiert. So vieles erschien mir falsch! Gerade deshalb bekam ich einen Begriff davon, was Philosophie sein kann: Mich in meinen eigenen Ansichten erschüttern zu lassen. Mich immer wieder zu fragen, ob nicht alles auch ganz anders sein könnte.»
Ihr Studium verdiente sich Bleisch als Babysitterin, Fabrikarbeiterin und schliesslich als Journalistin bei der NZZ. «Das war eine harte, aber sehr lehrreiche Schule. Ich schrieb über alles – über Golfplätze, neue Eissorten, Hundetoiletten und Bücher. Ich träumte damals nicht von einem Job beim Fernsehen. Wie hätte ich wissen sollen, dass man da mit Philosophie etwas machen kann? Ausserdem liebte ich die Wissenschaft.»
Bleischs Weg zum Fernsehen
Kurz nach Fertigstellung ihrer Dissertation über Weltarmut und individuelle Verantwortung hielt sie einen Vortrag. «Ein damaliger Moderator der ‹Sternstunden› lud mich in Anschluss als Gast in die Sendung ein. Wir blieben in Kontakt. Und als neue Moderatoren gesucht wurden, nahm ich am Casting teil – und wurde genommen. Im Nachhinein eine glückliche Fügung, wie vieles in meinem Leben. Geholfen hat mir wohl, dass ich das meiste, was ich mache, leidenschaftlich gern tue. Und mich dann auch wirklich reinhänge.»
Als TV-Naturtalent sieht sich Bleisch nicht. «Wer meine ersten Sendungen von 2010 anschaut, versteht: Kamerapräsenz ist auch Übung. Was mir aber entgegenkommt: Ich habe keine Angst vor dem Rampenlicht. Dennoch brauche ich weiter die Phasen, in denen ich mich zurückziehen kann, an einem Buch arbeiten oder an einer Idee für mich herumwerkeln.»
Bleisch wird in der Öffentlichkeit regelmässig angesprochen, «meistens sehr wohlwollend. Junge Leute fragen mich manchmal sogar nach einem Selfie. Ich freue mich, zu sehen, dass auch die junge Zielgruppe unsere Inhalte schätzt.»
Schon seit fünf Jahren läuft ihre Gesprächsreihe «Barbara Bleisch trifft» in der Berner Dampfzentrale. «Bern ist unsere Bundesstadt, und mich beglückt, dass ich in einer Demokratie wie der Schweiz lebe. Wenn ich auf dem Bundesplatz stehe, kommt mir immer Mani Matter und sein Mann mit dem Dynamit in den Sinn. Matter war für mich ein wahrer Philosoph!»
Bleisch ist auch auf Instagram aktiv. «Durchaus ambivalent», sagt sie. «Eigentlich sehe ich kritisch, wie viel Zeit Menschen in den sozialen Medien verbringen, gerade auch unsere Jugendlichen. Der Druck auf viele steigt, weil sie sich permanent vergleichen. Dazu kommen Fake News und die Verbreitung von Hass. Gleichzeitig ist mir klar: Viele Junge informieren sich fast nur noch via Social Media. Und dann freue ich mich, dass philosophische Inhalte dort auf Interesse stossen.»
Bleisch und die künstliche Intelligenz
Ähnlich ambivalent betrachtet Bleisch die Nutzung von künstlicher Intelligenz. «Am Ende des Tages muss ich einen Gedanken selbst durchdenken und formulieren und Fakten überprüfen. Aber als Ideengeber oder für schnelle Entwürfe ist ChatGPT schon ziemlich genial. Ausserdem bin ich Mutter von Teenager-Töchtern. Obwohl ich Mathe mochte, kann ich ihre Aufgaben nicht mehr lösen. Da wird ChatGPT dann auch mal zum Nachhilfelehrer.»
Angst vor der KI helfe niemandem weiter. «KI ist da und sie wird unseren Alltag verändern – wie genau, wissen wir nicht. Mir ist es wichtig, immer wieder die Frage zu stellen: Wer profitiert von weiteren Innovationen, und wo wäre eine Regulierung eher im Sinne des Wohls der Gesellschaft?» Für Bleisch ist klar: «Wir befinden uns in einer Phase eines riesigen Experimentes. Manche sagen, die jetzige Umwälzung sei vergleichbar mit jener des Buchdrucks. Und die dauerte auch nicht nur zwei, drei Jahre.»
Und hier zieht sie eine Parallele: «Wir stecken in einer Phase mit mehreren parallel ablaufenden Longue-durée-Prozessen, wie die Historiker es nennen: Der Klimawandel, die Globalisierung, KI – nichts davon ist mit dem Begriff der Krise richtig beschrieben. Krisen kommen, sind zu überwinden, und danach wird wieder alles gut.» Dass KI bleibt, steht für Bleisch ausser Frage: «Aber all diese Veränderungen werden nicht mehr weggehen. Wir müssen lernen, mit ihnen zu leben und sie zu gestalten.»
Bleisch schwärmt von einer Begegnung mit der US-Autorin Rebecca Solnit (63). «Solnit schreibt, sie fühle sich oft wie eine Schildkröte auf einer Party von Eintagsfliegen. Wir müssten wieder lernen, wie Schildkröten in langen Zeithorizonten auf die Welt zu blicken. Die Angst vor dem Weltuntergang verdanke sich oft kurzfristigem Denken und zeuge von Geschichtsvergessenheit. Aber wir haben schon viel überstanden: Eiszeiten, Kriege, die Pest.» Und das gibt Bleisch Zuversicht: «Geschichte verläuft nie geradlinig. Und Menschen haben gute Seiten, können zusammenstehen, sie sind nicht nur egoistisch und brutal. Und das ist erst einmal Anlass zu Hoffnung.»
Doch dürfe man Hoffnung nicht mit blindem Optimismus verwechseln. «Es gibt von Terry Eagleton auch ein Buch über Hoffnung. Er schreibt, Optimisten und Pessimisten litten beide unter einer moralischen Hornhautverkrümmung. Die einen meinen sicher zu wissen, dass es schon gut kommt. Und die anderen, dass sowieso alles den Bach runtergeht.» Und hier betont Bleisch: «Doch die Zukunft ist offen. Zu hoffen heisst, diese Offenheit anzunehmen als Gestaltungsspielraum und sich fürs Bessere einzusetzen. Wenn ich in einem brennenden Haus sitze und das Haus nicht verlasse und behaupte, es kommt schon gut, dann hoffe ich nicht, sondern bin naiv.»
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