Manuela Leonhard führt den Anstich fürs Oktoberfest durch
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Wiesn in Zürich:Manuela Leonhard führt den Anstich fürs Oktoberfest durch

Volkssport Oktoberfest
«Du liebst oder hasst es, ein Dazwischen gibts nicht»

Es wird geschunkelt, zugeprostet, und es werden deutsche Schlager gesungen, die man sonst nicht hört. Das Mass ist gewollt voll, die Schürze mit Bedacht gebunden. Oktoberfeste ziehen auch in der Schweiz Zehntausende an. Blick schaut sich das Phänomen genauer an.
Publiziert: 12.10.2025 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2025 um 08:55 Uhr
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Manuela «Manu» Warum gehört zu den kultigen Wiesn-Bediensteten am Münchner Oktoberfest. Auf dem Zürcher Bauschänzli ist sie zum 19. Mal dabei. Sie trägt bis zu 12 Mass auf einmal.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

  • Oktoberfest: Ein emotionales Massenritual und kontrollierte Katharsis für Millionen Menschen
  • Tradition, Gemütlichkeit und kollektive Freude prägen das Oktoberfest-Erlebnis
  • Zürcher Bauschänzli erwartet 25'000 Gäste, dabei fliessen 60'000 Mass Bier
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

«Und Rosi hat ein Telefon ...» Wem diese fünf Worte nichts sagen, wird sich wundern, was sie an einem Oktoberfest auslösen. Kaum erklingt der Song «Skandal im Sperrbezirk» der Spider Murphy Gang, steht das ganze Zelt auf den Bänken, schunkelt, singt, lacht – textsicher, als wärs 1981. Ein Phänomen, das um die Welt ging: von Genf bis Kapstadt, von Tokio bis New York. Die Szenerie gleicht sich international. Das Original der Münchner Wiesn, das dieses Jahr von rund 6,5 Millionen Menschen, vorwiegend in Tracht und Lederhosen, besucht wurde, ist mehr als nur Rosis Telefon.

Es ist ein emotionales Massenritual, eine Art kontrollierte Katharsis: für ein paar Stunden einfach loslassen. Auch bei uns. Am Donnerstag hiess es auf dem Zürcher Bauschänzli, dem ersten Oktoberfest in der Schweiz, zum 28. Mal um 12 Uhr «O'zapft is». Bis zum 8. November werden gegen 25'000 Gäste erwartet. Bis zu 60'000 Mass Bier gehen über die Theke. Gegessen werden um die 30'000 Weisswürste, 3000 Hendl und eine Tonne Kartoffelsalat. «Der Zauber vom Oktoberfest ist das gemütliche Beisammensein, das Teilen des Essens, die unkomplizierten Momente. Das ist gefragter denn je», sagt der Bauschänzli-Verantwortliche Martin Mannes (44), COO der Gastro-Firma Candrian, die das Bauschänzli seit 2019 betreibt.

Du liebst es oder du hasst es

Er sieht im Phänomen des Oktoberfests die Kombination aus heiler Welt und Tradition. «Es ist ein Kosmos für sich. Die Menschen wollen Spass. Einmal im Jahr tragen sie die Tracht, einige trinken nur dann ein Bier, die Lieder sind deutsch, die Stimmung ausgelassen. Es ist kollektive Freude.» Kein Warum, darum. «Du liebst es oder du hasst es, ein Dazwischen gibt es nicht.» Das sagt Manuela «Manu» Warum (53) – so heisst sie wirklich. Seit 19. Mal ist sie in Zürich dabei und eine der kultigen Münchner Wiesn-Bediensteten. Oft werde sie Resi genannt, das möge sie aber nicht. Sie stemmt bis zu 12 Mass, mit dem Leergewicht eines 1,5-Liter-Glases sind das gute 24 Kilo. Den Feierfaktor zwischen den bayrischen und den Schweizer Gästen sieht sie in der Anlaufgeschwindigkeit. «In München stehen sie sofort auf der Bank, in der Schweiz geht es rund zwei Minuten. Dann machen sie richtig mit und haben Freude.»

Privat würde sie sich die Oktoberfestmusik nie anhören, auch die Rosi nicht. «Aber hier im Zelt passt sie perfekt. Es gibt viele liebe Menschen, die sehe ich hier einmal pro Jahr. Es haben sich schon Freundschaften ergeben.» Der Banker mit dem Handwerker, die Finanzchefin mit der Stylistin. Der Männer- und Frauenanteil liegt bei 50:50. Im sozialen Schmelztiegel vereint umarmt sich, was sich sonst wohl niemals begegnen würde. In der langen Tradition auf dem Bauschänzli gibts auch Eifersuchtsdramen und den Alkoholexzess eines Gasts, der so betrunken gewesen sei, dass er auf sein Gesicht fiel und sich alle Zähne ausschlug. Eine Woche vor seiner Hochzeit.

Generell sei es gesittet, und man halte sich an die Oktoberfest-Regeln. Alle sind per Du, getanzt wird nur auf den Bänken, nie auf dem Tisch. Silvia Affolter (61), Unternehmerin und Miss Schweiz 1984, sieht bei Männern in Lederhosen einen zusätzlichen Vorteil. «Keiner kann sich hinter dem Designeranzug verstecken. Man kauft die Katze so nicht im Sack.» Ein Prosit auf so viel Ehrlichkeit und im Sinne des Oktoberfests: ein Prosit auf die Gemütlichkeit.

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