Star-Chirurg René Prêtre (59) hat schon über 6000 Kindern das Leben gerettet
Jedes Schicksal geht ihm ans Herz

Im BLICK-Interview sagt René Prêtre (59), Chef der Herzchirurgie im Unispital Lausanne und Schweizer des Jahres 2009, dass ihn jedes Schicksal seiner kleinen Patienten berührt.
Publiziert: 20.02.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:15 Uhr
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Prêtre mit der kleinen Ema, die im November einen Herzstillstand hatte. Auch Mutter Arbinita und Vater Arbian Bytyci freuen sich.
Foto: Jean-Guy Python
Katja Richard

Er hat schon mehr als 6000 Kinderherzen operiert – aber noch immer geht ihm jedes einzelne Schicksal nahe: René Prêtre (59), Schweizer des Jahres 2009.

Als Chef der Herzchirurgie im Unispital Lausanne kümmert sich der Chirurg am liebsten um die kleinen Patienten: «Die allerkleinsten Herzen sind am schwierigsten zu reparieren und die vielleicht grösste Herausforderung in meinem Beruf. Aber ich operiere sie gerne, weil sie nach unserer Berührung für Jahrzehnte weiterschlagen – das ist das Schöne an meiner Aufgabe.»

Nicht allen kleinen Patienten kann sofort geholfen werden. Ema (2) wartet seit November auf ein passendes Spenderherz. Nach einem Herzstillstand wurde sie operiert und bekam ein künstliches Herz. Auf lange Sicht braucht sie aber ein richtiges Organ: ein neues Herz. «In der Regel findet man innerhalb eines Jahres ein passendes Herz», so Prê­tre.

Aber wenn es so weit ist, liegt über der frohen Botschaft ein Schatten: «Wenn wir ein solches Herz bekommen, wissen wir, das dafür zugleich ein anderes Kind gestorben ist», sagt der Chirurg. «Es stimmt mich jedes Mal sehr traurig, wenn ein junger Mensch so früh gehen muss.»

BLICK: Wohnt die Seele im Herzen?
René Prêtre: Wahrscheinlich. Wenn sich die Seele den besten Ort im Körper auswählen darf, nimmt sie bestimmt das Herz.

Was berührt Ihr Herz?
Die Schönheit und das Wunder des Lebens.

Wann steht Ihr Herz still?
Wenn ein anderes, kleineres Herz stillsteht – für immer.

Wann schlägt Ihr Herz schneller?
Vielleicht noch, wenn ein schönes Tor fällt oder wenn Ambri gewinnt.

Ist Viagra gefährlich für das Herz?
Das habe ich gehört, aber ich weiss es nicht genau. Meine kleinen Patienten haben dieses Bedürfnis nicht, zumindest noch nicht (lacht).

Haben Sie kürzlich Ihr Herz verloren?
Nicht kürzlich, aber ja, schon ­einige Male.

Wie oft wurde Ihr Herz gebrochen?
Ein paar Mal, aber dann wurde es auch gut repariert, und dadurch wahrscheinlich noch stärker.

Wer bestimmt bei Ihnen, Herz oder Kopf?
Beides. Bei der Arbeit muss der Kopf dominieren. Bei der Liebe, das Herz. Und da ich meine ­Arbeit auch liebe, bestimmen beide meine Handlungen.

Hand aufs Herz. Wann haben Sie das letzte Mal geflucht?
Bei einem Tennis-Halbfinal in Melbourne. Ich muss wohl nicht erwähnen, bei welchem.

Prêtre heisst auf Deutsch übersetzt Priester. Wie empfinden Sie das?
Das Wort hat auf Französisch eine breitere Bedeutung. Es ­beschreibt jemanden, der sein Leben einer grossen Sache widmet, sei es Gott, der Natur oder der Art, zu leben. Mir gefällt diese Definition.

Glauben Sie eigentlich an Gott?
Mit grossen Schwankungen.

Wann zweifeln Sie?
Oft, wenn ich die Abendnachrichten schaue.

Wie gehen Sie mit dem Tod um?
Für mich kann der Tod ein schönes Gesicht tragen, wenn er ein erfülltes Leben mit sich nimmt. Er trägt aber ein häss­liches Gesicht, wenn er ein ­junges Leben bricht. Und ich ­fühle mich miserabel, wenn ich den Kampf gegen ihn verloren habe.

Wann fühlen Sie sich machtlos?
Wenn ich sehe, dass es trotz aller Anstrengungen nicht möglich ist, bei einem jungen Menschen den Puls aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Ich weiss, was es bedeutet, wenn die Zeit ­gegen uns läuft und es keine Lösung gibt.

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