BLICK: Welcome back, Mister Hartmann. Man hört, dass Sie den Sommer in den USA verbracht haben. Wie war es?
Nik Hartmann: «Awesome», würden die Amis sagen – genial! Wir sind während drei Wochen mit dem Mietauto von San Francisco nach San Diego gefahren, haben viele saftige Hamburger gegessen. Ich hatte ja diesen Sommer keine Sendung. Darum habe ich der Familie gesagt: Wir müssen etwas Grosses machen. Meine Frau Carla ist da immer etwas zurückhaltender.
Auch weil Ihr siebenjähriger Sohn Melchior dabei war, der mit einer zerebralen Behinderung auf die Welt kam?
Ja, es brauchte viel Vorbereitung. Die Frage war: Wie wird es mit Melchior auf dem zwölfstündigen Flug klappen? Aber er hat ihn hervorragend gemeistert. Auch die langen Fahrten. So eine Reise macht man ja nicht jedes Jahr. Darum wohnten wir in geräumigen Hotels, hatten ein grosses Auto. Die USA sind übrigens Behinderten gegenüber sehr freundlich.
Aber Sie haben die alten «Traumschiff»-Folgen verpasst, welche diesen Sommer auf Ihrem Sendeplatz liefen.
(Lacht laut) Ich habe jede einzelne Folge aufgezeichnet! Nein, ich habe mit Genuss festgestellt, dass die Episoden weniger Quote holten als meine Sendung.
Hand aufs Herz: Es muss Sie geärgert haben, dass Ihre Show aus dem Sommerprogramm gekippt wurde.
Nein, nicht wirklich. Wir verteilen die Sendungen jetzt übers Jahr. Das war mein Wunsch. Man will ja auch nicht jeden Tag Filet essen.
«SRF bi de Lüt» heisst nicht mehr «Live», sondern nach den Jahreszeiten. Was wird sonst noch neu am Samstag in Aarberg?
Der Einstieg in die Show kommt jetzt wie in einem Actionfilm daher. Auch unsere Gäste haben einen kurzen Auftritt. Ich werde wie James Bond über einen Steg geschleift, plumpse ins Wasser und werde von einem Motorboot die Alte Aare hinuntergezogen.
Und sonst?
Wir haben die Sendung entrümpelt. Wir verzichten auf mein geliebtes Sofa. Die Talkrunde gibt es nicht mehr. Der Austragungsort und seine Bewohner stehen vermehrt im Zentrum. Ich dachte immer, dass es die Zuschauer interessiert, wenn ich so lange quatsche. Aber es ist vermutlich spannender, wenn die Gäste etwas in der Sendung tun.
Sie sind erfolgreich. Haben Sie nie Angst vor dem Absturz?
Ich hatte das Glück, dass es immer langsam aufwärtsging. Und ich hoffe, dass es auch langsam wieder runtergeht. Nicht im freien Fall.
Was ist wichtiger als Karriere?
Die Familie. Die Auswirkungen des Fernsehens auf mein Privatleben sind klein. Das ist nicht Koketterie. Zu Hause bin ich nicht der Star.
Ihre Buben Constantin, Frederik und Melchior sind jetzt 13, 10 und 7 Jahre alt. Maulen sie nie, wenn sie wandern sollen?
Wir gehen ja nicht viel auf grosse Touren. Mit Melchior geht das nicht. Aber wir gehen viel raus, dann nehmen wir den Hund mit. Die Buben fühlen sich sehr wohl in der Natur. Bei uns braucht alles etwas mehr Vorbereitung. Vor allem wenn ich im Frühling acht Wochen für die Dreharbeiten von «Wunderland» von zu Hause weg bin.
Da bleibt alles bei Carla hängen.
Ja, und bei den Buben. Sie wollen gefördert werden. Constantin startete jetzt ins zweite Gymi. Das sind lange Abende. Gegen aussen wirke ich immer locker. Aber ich führe ein anstrengendes Leben.
Der Alltag mit Melchior fordert Sie besonders.
Ja, aber er ist eine Riesennummer.
Er besucht eine Sonderschule. Bereits die zweite Klasse, richtig?
Ja, für Hochbegabte (lacht). Im Ernst: Für die Schwere seiner Behinderung, ist er hochbegabt. Er macht grosse Fortschritte. Wir können uns zwar nicht auf herkömmliche Weise mit ihm unterhalten.
Wie denn?
Er versteht Stimmungen gut. Es ist eher eine Art von Konditionierung, so wie wir mit ihm kommunizieren. Es ist keine Sprache. Es ist keine kognitive Geschichte, die da abläuft. Es ist eine einfache Programmiersprache: Wenn die Situation gerade so ist, dann resultiert das Nächste. Das funktioniert für zwei, drei handverlesene Sachen. Wenn wir ihm den Schoppen reichen, dann weiss er, was zu tun ist.
Was liebt er besonders?
Er mag Musik unglaublich gerne. Eine Nummer, die ihn zum Gigelen bringt, ist ein Easy-Listening-Stück von Bert Kaempfert. Zurzeit robbt er oft aus seinem Zimmer, setzt sich vor den Fernseher und gibt uns zu verstehen, dass er die Teletubbies oder Barbapapa schauen will. Dann ist er glücklich.
Kann man behaupten, dass Familien, die kein behindertes Kind haben, etwas verpassen?
Nein, das ist gewagt. Das dürfen Sie nicht sagen.
Aber es wäre doch ein schöner Gedanke.
Nein, so etwas darf man nicht sagen. Eher so: Eine Gesellschaft ohne Behinderte wäre eine armselige Gesellschaft.
Aber Ihre beiden anderen Buben bekommen etwas auf den Weg mit: Sensibilität.
Man muss sich generell etwas fragen. Es fehlt ja eigentlich sehr wenig für eine Behinderung. Oder nennen wir es lieber eine Einschränkung. Ein winziges Gen hat einen Defekt, aber fast 100 Prozent des Körpers funktionieren trotzdem ganz normal. Man muss sich an dem freuen, was Melchior kann – nicht betonen, was nicht geht.
Trotzdem: Constantin und Frederik bekommen eine andere Sicht auf das Leben.
Ja, aber dafür bekommen andere Kinder andere Dinge auf den Weg mit, was Melchiors Brüdern fehlt. Einfach spontan ein Wochenende zu verreisen, das geht bei uns nicht. Aber wir schauen, dass sie trotzdem nicht zu kurz kommen.
Trotzdem ist es wichtig, dass Carla und Sie Ihre Freiräume haben. Wenn Sie spontan entscheiden könnten – wohin würden Sie mit ihr hingehen?
Auf eine Hütte und sicher auf über 2000 Meter. Der Weg hinauf muss etwas wehtun. Und die Hütte sollte nicht zu weit weg sein, damit die Anreise nicht zu lange dauert. Auch wegen unserer Buben. Die Gaulihütte im Berner Oberland wäre eine gute Idee.