BLICK: Herr Aeschbacher, glauben Sie an Gott?
Kurt Aeschbacher: Nein.
Warum nicht?
Mir reicht es, die Evolution als Grundlage unserer Existenz zu sehen. Es ist grossartig, dass aus einem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren ein Universum entstand, aus dem sich unser Sonnensystem und die Erde bildete. Dass wir Menschen eine Art Sternenstaub sind, der sich in über drei Milliarden Jahren aus Einzellern zu einem hochkomplexen Wesen entwickelte, ist längst eine wissenschaftlich belegte Tatsache.
Das heisst aber nicht, dass es Gott nicht gibt.
Klar, bleibt immer noch genügend Raum, solche Erkenntnisse mit einem göttlichen Schöpfer in Verbindung zu bringen. Mich überzeugt aber die wissenschaftliche Relevanz der Evolution mehr als die Annahme, dass ein allwissender Herrgott die Pflanzen- und Tierwelt inklusive uns sündige Menschen als perfektes Gebilde geschaffen hätte. Schon als Kind war mir ein strafender Schöpfer unheimlich und die angedrohten Höllenqualen, welche uns im Religionsunterricht bei Ungehorsam angedroht wurden, suspekt.
Feiern Sie trotzdem Weihnachten?
Natürlich, so wie jeder, der sich darüber freut, mit anderen feiern zu können. Menschen brauchen Rituale. Ob als Teil einer religiösen Gemeinschaft oder auch ganz einfach in der Familie oder dem Freundeskreis. Rituale halten uns als Gesellschaft zusammen. Sie helfen uns, über existenzielle Fragen nachzudenken, und sorgen auch dafür, gemeinsam nach gewissen Regeln etwas zu erleben und Geborgenheit zu spüren. Weihnachten ist für mich deshalb völlig unabhängig vom religiösen Hintergrund ein wunderbarer Anlass, mich darauf zu besinnen, was und hauptsächlich wer mir in meinem Leben wichtig ist.
Sie haben mal gesagt: «Meine Mutter ist das grösste Weihnachtsgeschenk.» Sie starb vor drei Jahren. Wie fehlt sie Ihnen?
Wenn die Eltern nicht mehr leben, fühlt man sich ganz unabhängig vom eigenen Alter plötzlich als Waise. Nach dem Tod meiner Mutter wurde mir bewusst, dass jetzt niemand mehr da ist, der mit dieser unerschütterlichen Liebe, die Eltern für ihre Kinder haben, für alles Verständnis hat. Das tröstliche jedoch ist, dass die Erinnerung an die gemeinsamen Erlebnisse bleibt. Und dadurch leben auch Tote weiter. In unserem Fall auch als Energie für meinen Rosengarten in Südfrankreich. Dort sorgt nämlich ihre Asche für die schönsten Blüten.
Gingen Sie früher mit Ihren Eltern an Weihnachten in die Kirche?
Die Mitternachtsmesse war meiner Mutter stets heilig. Währenddem sorgten mein Vater und ich zu Hause dann jeweils für das tolle Dessert danach.
Können Sie etwas Positives vom Fest der Liebe übernehmen?
Ja natürlich, ganz viel. Weil wir uns hoffentlich füreinander Zeit nehmen, um ein paar Stunden einander in die Augen zu schauen, anstatt auf das Smartphone zu starren, und Geschenke nicht eine sinnlose Pflichterfüllung, sondern ein Ausdruck der Wertschätzung für einen anderen Menschen darstellen.
Zurück zum Atheismus: Hat man als Kreativer nicht Probleme damit, zu wissen, dass einmal alles fertig ist?
Es wäre ein belastender Albtraum zu meinen, es gehe ewig weiter.
Gott hat nicht den Plan geschmiedet, einen grossen TV-Star mit Namen Kurt Aeschbacher zu schaffen?
Das Leben ist viel zu komplex und von zu vielen Zufällen bestimmt, als dass es nach irgendeinem Plan verlaufen könnte. Ich bin genau so wie alle anderen Menschen ein Produkt von vielen Zufällen, unglaublich viel Glück und einigen Missverständnissen. Und das mit dem vermeintlich «grossen TV-Star» ist wohl das grösste Missverständnis.
Sie sind nichts Besonderes?
Genau so ist es. Oder anders gesagt: Ich bin bloss ein Mensch, der wie Millionen andere versucht, anständig zu leben und sich nicht auf Kosten anderer zu inszenieren.
Andere Menschen werden aufs Alter gläubig.
Was sich in Zukunft noch ändert, weiss niemand genau. Mindestens heute bin ich der festen Überzeugung, dass es der unabdingbare Tod ist, der das Leben und die uns zur Verfügung stehende Zeit so wertvoll macht. Weshalb sollte ich deshalb meine Zeit mit der Angst vor dem Ende vergeuden? Viel wichtiger ist es mir, im Hier und Jetzt das zu tun, was mir wichtig ist: meinem Dasein Sinn zu geben.
Was soll man Ihnen auf keinen Fall zu Weihnachten schenken?
Etwas, das nicht von Herzen kommt.
Und Labrador Bombay – kriegt er einen Knochen?
Bombay ist in der Zwischenzeit so alt geworden, dass er ein frisches Rüebli einem Knochen vorzieht.
Möchten Sie ihm nicht mal auf einer Wolke im Hundehimmel begegnen?
Im Moment freuen wir uns an der Tatsache, mit einem etwas vertrottelten, schwerhörigen und ziemlich verfressenen alten Herrn zusammenzuleben, und dass wir die gemeinsame Zeit, die uns noch bleibt, geniessen zu dürfen, bevor seine letzte Stunde schlägt.
Das Bild, Sie beide auf einer Wolke vorzustellen, wäre doch schön.
Ich hatte nie viel mit Kitsch am Hut, und deshalb wäre es für mich ein Albtraum, mit unbequemen Flügeln auf dem Rücken auf irgendeiner fragilen Wolke mit Bombay umherzuturnen.
Was kommt nach dem Tod?
Nichts, ausser im besten Fall die Erinnerung anderer Menschen an den Verstorbenen.
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