Sie sind gerade von der Welt-Premiere des 250-Millionen-Blockbusters «Prometheus» in London zurückgekehrt. Wie wars?
H.R. Giger: Fantastisch! Obwohl ich ja eigentlich nicht mehr so gerne reise. Das ist mir zu anstrengend geworden. Als ich in London aus dem Taxi stieg, war ich sofort von Dutzenden Leuten umringt, die mein Autogramm wollten. Wir wurden von Kult-Regisseur Ridley Scott und der Firma Twentieth Century Fox total verwöhnt.
Auch die Kritiker loben ihre Arbeit für den Film...
Ja, das freut mich. Auch dass ich im Nachspann des Films am Anfang prominent erwähnt werde. Dabei habe ich ja gar nicht so viel gemacht. Eines der Raumschiffe stammt aus meiner Feder, es beruht auf Bildern und Entwürfen, die ich schon vor 33 Jahren gemacht habe.
Auf Fotos von der Premiere wirken Sie aber etwas angeschlagen. Wie geht es Ihnen eigentlich?
Nun ja, ich hatte zwei Tage vor der Premiere einen Eingriff am Herzen. Ich hatte in letzter Zeit stark geschwollene Füsse. Am Pfingstmontag war es besondersschlimm, also schickte mich ein befreundeter Arzt in die Klinik Hirslanden in Zürich. Dort wurde mir Tags darauf ein Stent eingesetzt.
Und da durften Sie trotzdem an die Premiere nach London?
Ja, mit dem Einverständnis meines Arztes. Als ich am Mittwoch entlassen wurde, nahmen meine Frau Carmen und ich gleich den Flieger. Schon ein bisschen verrückt von mir.
Arbeiten Sie eigentlich noch immer jeden Tag?
Nein, ich arbeite nur noch selten. Ich lasse mich nur noch feiern (lacht). Es ist schön, einfach seine Ruhe zu haben. Ich mache mittlerweile nur noch das Minimum oder wenn ein Auftrag es verlangt. Ich habe meinen künstlerischen Beitrag für diese Welt geleistet.
Aber als Künstler geht man doch nie in Pension?
Ach, ich habe mein Leben lang hart gearbeitet – vor allem zwischen 1972 und 1992, als ich meine grossformatigen Airbrush-Bilder malte. Manchmal, wenn ich etwas deprimiert bin, blättere ich meine Werkkataloge durch und sehe, was ich alles geleistet habe. Das gibt mir enorme Zufriedenheit. Mit der Spritzpistole arbeite ich seit langem nicht mehr,ich würde mich da nur noch wiederholen.
Trotz der grossen Nachfrage?
Ja, ich könnte mit dem Malen von erotischen Aliens immer noch viel Geld verdienen. Aber das interessiert mich nicht mehr. Ich bin künstlerisch gesättigt. Die Malerei gibt mir nicht mehr soviel wie früher. Ich mag nicht mehr fleissig sein.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Ich stehe gegen Mittag auf. Unsere Hauptmahlzeit nehmen Carmen und ich erst am Abend ein. Ich schaue tagsüber viel fern, vor allem Filme und Dokumentationen. Und es gibt immer etwas zu erledigen – etwa für die Ausstellung, die gerade in Solothurn läuft, oder mein Museum im Schloss St. Germain in Greyerz.
Sind Sie noch oft in Greyerz?
Nein. Ich fahre selber nicht mehr gern Auto. Meine Frau Carmen kümmert sich als Museums-Direktorin hervorragend um die Sammlung. Das Museum ist inzwischen selbsttragend, was mich stolz macht.
Carmen ist 24 Jahre jünger. Wie erleben Sie den Altersunterschied?
Gar nicht. Wir passen zu einander – in allen Belangen. Wir haben uns getroffen, und es hat gepasst. Liebe ist eine geistige Sache, die hat nichts mit dem Alter zu tun. Ich wüsste nicht, was ich ohne Carmen machen würde. Ich hatte aber schon immer gern junge Menschen um mich herum.
Lieber als alte?
Ja, ich ertrage alte Leute meist nur schlecht. Carmen und ich haben uns 1996 kennengelernt – über gemeinsame Freunde. Im März 2006 haben wir heimlich geheiratet. Aber unseren Hochzeitstag vergessen wir beide immer wieder (lacht).Carmen war in den letzten Jahren die grösste künstlerische Inspiration für mich – sie ist auch ein Schatz! Es wäre furchtbar für uns beide, wenn einer von uns vor dem anderen gehen müsste.
Sie sind mittlerweile 72 Jahre alt. Hat sich Ihre Einstellung zum Tod verändert?
Eigentlich gar nicht. Vielleicht kommt es daher, dass ich mich schon als junger Mensch intensiv mit der eigenen Vergänglichkeit beschäftigte. Etwa, wenn ich als Kind Geisterbahnen baute oder als Fünfjähriger einen Totenschädel auf Rädern hinter mir nachzog.
Gibt es ein Jenseits?
Nein, ich glaube, dass mit dem Tod alles aufhört. Ich glaube, im Gegensatz zu Carmen, auch nicht an die Wiedergeburt. Die Vorstellung, dass alles immer weiter geht oder dass ich sogar zurück auf diese Welt kommen soll, ist schrecklich.
Für viele Menschen wäre diese Vorstellung erdrückend.
Für mich nicht. Ich will nicht noch einmal leben. Einmal ist genug. Es ist ja auch alles so schrecklich anstrengend. Aber, auch wenn ich mal nicht mehr da bin, meine Kunst lebt weiter. Das freut mich, und ich hoffe, dass sie bei kommenden Generationen Anerkennung findet.
Leben Sie heute eigentlich gut – sind Sie reich?
Wir kommen gut über die Runden. Meine Werke, Originale, Grafiken und Skulpturen sind international gefragt. In den vergangenen Jahren sind mehrere grosse Retrospektiven in namhaften europäischen Museen gezeigt worden und weitere Ausstellungen sind in Vorbereitung.
Was ist das Wichtigste im Leben?
Zufriedenheit, Freude und Kreativität. Ich habe alles gehabt. Angst habe ich nur, schwer krank zu werden. Darum habe ich mich auch bei der Sterbehilfe-Organisation Exit angemeldet. Wenn es schlimm wird, will ich nicht leiden müssen. Wissen Sie, ich hänge nicht so sehr am Leben. Ich will schnell sterben. Bumm und fertig ist es.
Haben Sie Ihr Testament schon gemacht?
Ich bin dran. Das Museum wird in eine Stiftung übergehen. Meine Beerdigung plane ich hingegen nicht. Ich werde auch nie die Freunde zählen, die an mein Grab kommen. Ich gehe selber auch nie an Beerdigungen, denn sie deprimieren mich nur.
Waren Sie nie traurig, keine Kinder zu haben?
Nein, meine Bilder sind meine Kinder.
Welche Träume haben Sie noch?
Vielleicht, dass es mal noch eine grosse Ausstellung in den USA gibt. Oder eben mit Carmen irgendwohin zu reisen, auch wenn es manchmal körperliche Strapazen bedeutet.
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