Sie sind seit heute morgen 6.30 Uhr auf den Beinen!
Ich grub Löcher in den Erdboden, pflanzte zwei kleine Pinien, bewässerte meine vielen Pflanzen und mähte den Rasen. Mit einem altmodischen, lauten Rasenmäher, nicht etwa elektrisch! Meine tägliche Pflichtenliste ist lang, und als geborenes Schweizer Mädel aus Bern bin ich gewissenhaft und erledige alles genau nach Plan. 10000 Quadratmeter Land sind kein Pappenstiel, bringt einen Haufen körperliche Mühen mit sich. Wollte ich aber so haben, ich darf also niemandem einen Vorwurf machen.
Warum leisten Sie sich keinen Gärtner?
Oh, den leiste ich mir ja – aber nur für die Schwerstarbeit, fürs Jäten, Pflügen, Düngen und Schleppen meiner riesigen Blumenkübel. Alles andere mache ich allein. Das ist heute mein Leben!
Sie sind 72 Jahre alt – warum schaukeln Sie nicht in der Hängematte und geniessen Ihr Alter?
In der Hängematte schaukeln? Ja, da müsste ich doch vom wilden Affen gebissen sein! Da würde ich ja noch schneller altern als ich es ohnehin schon tue. Die Ironie meines Schicksals ist nur: Ich rackerte mich jahrelang bewusst ab, oft so übertrieben agil, dass ich abends wirklich todmüde in mein Bett fiel, in dem Irrglauben, das würde helfen.
Wogegen?
Gegen den körperlichen Altersverfall, vor dem ich mich wie jede Frau fürchte.
Half Ihr Abrackern nicht?
Vor kurzem war ich zur Generaluntersuchung beim Arzt. Ohne akuten Anlass, aus reiner Vorsorge. Das Ergebnis war ein großer Schock für mich: Senile Osteoporose im Anfangsstadium. Also auf gut Schweizerisch: Knochenschwund! Frauen meines Alters erkranken daran doppelt so häufig wie ihr Männer.
Osteoporose ist eine Skeletterkrankung, bei der die Knochenfestigkeit vermindert ist.
Und das mir! Arg deprimierende Zukunftsaussichten, denn die unvermeidlichen Folgen sind nicht nur Schmerzen – sie würde ich bis zu einem gewissen Grad ohne Murren und Knurren aushalten, ich bin keine Memme – sondern vor allem eingeschränkte Beweglichkeit bis hin zu Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit. Ich, Ursula Andress aus Ostermundingen bei Bern, ein Pflegefall? Das kommt gar nicht in die Tüte. Lieber tot!
Das sagt sich leicht!
Irrtum! Das sagt sich gar nicht leicht für eine Frau für mich, die das Leben liebte. Aber ich habe keine Lust, irgendwann im Rollstuhl zu sitzen, kann mir das partout nicht vorstellen und will es auch nicht! Und wissen Sie, was mich an der ganzen Sache am meisten schockiert? Dass ich wirklich alles tat, was zur Vorbeugung gegen diese Krankheit wichtig ist: Sehr viel körperliche Bewegung, die tägliche Einnahme von Kalzium und Vitamin D, der totale Verzicht auf Rauchen und Trinken – alles für die Katz! Das ist ungerecht! Doch irgendwann erwischt es uns wohl alle.
Aber aufzugeben ist nicht Ihr Ding?
Dazu bin ich zu stark. Mein Motto heißt: «Jetzt erst recht! Ich kämpfe gegen meine Krankheit!» Sehen Sie sich meine Schultern an, breit gebaut, viel zu breit für eine Frau, aber dafür halten sie auch sehr viel aus. Ich könnte, glaube ich, wie der legendäre, unglückselige
Atlas, Bruder von Prometheus in der griechischen Mythologie, die Weltkugel auf meinen Schultern tragen. Und was mich tröstet: Viele, die mir sehr nahestanden, traf es schlimmer und völlig unerwartet. Daran gemessen darf ich mich gar nicht beklagen!
Denken Sie an Ihre große Liebe, den Filmschauspieler Jean-Paul Belmondo (75)?
Auch an ihn! So ein intelligenter, liebenswerter Muskelprotz, das volle Leben in persona, ein Mann, für den Vitalität so wichtig ist. Und ausgerechnet so ein Mann muss einen Schlaganfall bekommen, der ihn halbseitig lähmt und ziemlich hilflos macht! Wie ungerecht das Leben doch ist!
Riefen Sie ihn an, als Sie davon erfuhren?
Dazu fehlte mir dann doch die Courage. Es hätte mich verlegen gemacht, ausgerechnet dem Mann Trost zu spenden, mit dem mich neun so sehr glückliche Jahre verbanden.
Ihn hätte es vielleicht noch verlegener gemacht, sich Ihnen gegegenüber so hilflos zu geben!
Auch das kam mir in den Sinn, also ließ ich den Anruf auch bleiben!
Warum heiratete Belmondo Sie nicht?
Das wollte er ja! Er meinte es ernst mit mir und wünschte sich sogar Kinder. Aber ich zögerte mein Ja-sagen immer wieder hinaus. Aus zwei Gründen: Jean-Paul war sehr eifersüchtig, ich durfte kaum noch arbeiten. Was mir schwer gegen den Strich ging, denn ich brauche meine Freiheit und mochte meinen Beruf.
Außerdem kann und will ich nicht Sklavin eines Mannes sein! Und dann störte mich, dass Jean-Paul schon drei Kinder aus seiner ersten Ehe mit seiner Frau Elodie hatte. Ich glaubte, es würde doch zu große Probleme bringen, sie mit unseren eigenen Kindern zusammenzubringen und aufzuziehen.
Sie wurden erst spät Mutter – mit 44 Jahren.
Spät und unverheiratet. Der Vater meines Sohnes Dimitri Alexandre (28) ist der Schauspieler Harry Hamlin (damals 29).
Zwölf Jahre Ihr Junior!
Weshalb ihm seinerzeit auch die Vaterrolle über den Kopfwuchs. Wir trennten uns als Dimitri gerade mal zwei Jahre jung war. Die Verantwortung, unseren gemeinsamen Sohn zu erziehen, lag immer allein auf meinen Schultern.
Die ja breit und stark sind wie die des sagenhaften Atlas.
Sie sagen es! Übrigens ist da noch etwas, auf das ich heute, in meinem Alter, sehr stolz bin!
Verraten Sie es uns!
Mein Busen! Was ihn betrifft hatte ich großes Glück. Ich bekam vom lieben Gott einen unerhört großen Brustkasten und bin später immer sehr viel geschwommen, damit mein Busen fest bleibt.
Was wurde aus Ihrem Sohn?
Dimitri machte seinen Abschluss an der renommierten Yale Universität in Branford/Connecticut in Religionswissenschaften. Er ist mein kleiner Lebensphilosoph, der mir in schwierigen Situationen
wie zur Zeit mit seinen geistvollen Gedanken und Überlegungen hilft und mich von meinen Sorgen und Zukunftsängsten ablenkt. Dimitri war gerade wieder zu Besuch aus USA hier.
Hat der «kleine Lebensphilosoph» auch einen Beruf?
Er macht so viel Verschiedenes! Er hat zum Beispiel ein Faible für Techno-Musik, versuchte sich deshalb auch erfolgreich als Disk-Jockey. Er schreibt hochgeistige Essays, war Model für das englische Modehaus Abercombie & Fitch, hat geschauspielert, lebt jetzt in Los Angeles und versucht sich als Produzent im Filmgeschäft.
Ihre Karriere war gerade einmal wieder auf dem Höhepunkt nach Ihrem Film «Das Geheimnis der eisernen Maske» als Sie schwanger wurden...
…und keine Ahnung hatte, was in mir vorging. Ich war nach Indien gereist, dort straften mich die Götter mit jener Krankheit, die so nett mit «Montezuma’s Rache» umschrieben wird.
Mit anderen Worten: Sie hatten Durchfall!
Und wie, und wie lange! Und mein Bauch blähte sich auf und blieb so. Noch bei meiner Rückkehr nach USA war ich fest davon überzeugt, ich litt am sogenannten «Delhi-Bauch», eine Folge meiner Diarrhoe. Mein Arzt fand das sehr witzig und meinte:
«Sie haben keinen «Delhi-Bauch», gnädige Frau, sondern sind schwanger!»
Was Ihre Filmkarriere für Monate unterbrach.
Die einflussreichen Bosse des Studios, bei dem ich unter Vertrag war, waren darüber nicht besonders erfreut. Ich aber war glücklich. Ich wollte immer die Kontrolle über mein Leben haben, mich dem richtigen Mann ganz hingeben.
Sie glaubten, Harry Hamlin sei der richtige Mann?
Natürlich! Ich war von meinen Gefühlen zu ihm überwältigt, was lag da näher, als mir ein Kind von ihm zu wünschen? Das Ungeborene, das in mir wuchs, wurde damals, 1980, wichtiger für mich als ich selbst.
Sie bedauerten nicht, dass Ihre Karriere für Monate unterbrochen wurde?
Aber nicht doch! Was bleibt denn am Ende Ihres Lebens vom sogenannten Ruhm übrig? Nichts? Sie werden vergessen. Das Kind bleibt. Die Dinge des wirklichen Lebens sind wichtig. Und zu ihnen gehörte für mich mein Kind!
Sie liebten viele Männer!
Die meisten von ihnen, die mir einmal sehr viel bedeuteten, sind tot.
Tut die Erinnerung an sie weh?
Sie schmerzt und macht mir umso mehr bewusst, an wieviel Gräbern ich heute weinen muss.
Wie war Marcello Mastroianni (†1996) als Liebhaber?
Süss!
Süss? Ist das Ihr Qualitätszeugnis für einen vor Leidenschaft entbrannten italienischen Mann!
Vor Leidenschaft entbrannt war Marcello nur vor der Kamera! Privat war er, mhm – wie sag ichs meinem Kinde? – lieb, aber sehr bequem, freundlich und anbetungswürdig, aber easy-going. Amore ja, doch ohne Anstrengung, große Aktivität und Leidenschaft.
Er hat es mal so formuliert: Bei der Liebe will ich wie unter einem großen Baum liegen, und meine Liebespartnerin soll mir von oben direkt in den Schoß plumpsen. Weshalb er auch nie, niemals, eine junge Geliebte hatte, sondern immer eine Frau, die sich auskannte.
Was war zwischen Ihnen und James Dean (†1955)?
Ich habe großen Respekt vor dem Privatleben anderer, weshalb ich auch ein hochdotiertes Buchangebot ablehnte, meine Liebesmemoiren zu veröffentlichen. Es ist schrecklich, Intimitäten auszuplaudern. Ich kriege jetzt eine Gänsehaut, wenn Sie mich so direkt fragen. Darum nur so viel: Wir begegneten uns und hatten Spass zusammen. James war unglücklich, ich war unglücklich, er machte mir einen Heiratsantrag. An jenem verhängnisvollen 30. September kam James, um mich zu einer Spazierfahrt abzuholen. Aber irgendetwas war an seinem Porsche kaputt, und er entschloss sich, unsere Spritztour zu verschieben, stattdessen das Auto zu seinem Mechaniker zu bringen.
Ihr Glück – denn auf dem Weg zur Werkstatt verunglückte er tödlich!
An seinem Grab auf dem «Park Cemetery» in Fairmont, Indiana, habe ich viel geweint.
Heute leben Sie allein auf Ihrem Anwesen hier in Zagaro, 60 Kilometer ausserhalb von Rom....
...was ich mir selbst so ausgesucht habe. Hier bin ich frei wie der Wind. Ich will die Einsamkeit! Männer brauche ich heute nicht mehr, ich hatte von ihnen reichlich!
Das ist bekannt. Sie rissen ja schon mit siebzehn von zu Hause aus – lebten mit einem italienischen Schauspieler zusammen in Rom!
Bis mich meine Mutter fand und wieder nach Hause beförderte.
Ist Altern und Alleinsein für Sie, einst als «Schönste Frau der Welt» bezeichnet, besonders schwer?
Für solche Gedanken nehme ich mir nicht die Zeit, wirklich nicht! Obwohl: Manchmal fällt mir grundlos ein: Oh Gott, ich bin ja schon 72, um mich herum sterben all die Männer, die ich liebte, wann bin ich wohl dran? Aber wenn ich denn gehen muss: Ich hatte ein unglaubliches Leben, für das ich dankbar bin!
Wofür am meisten?
Für die Liebe, die ich erleben durfte, mit allem, was zur Liebe dazugehört.
Die Freude und das Leid?
Das Leid, ja. Beides liegt ja in der Liebe untrennbar zusammen. Auch für das Leid, das ich erfuhr, bin ich dankbar. Weil es mich stärker machte.
Als sich Ihr Mann, Schauspieler und Regisseur John Derek (†1998), in eine andere Frau verliebte?
Zum Beispiel. Natürlich traf es mich hart. Immerhin waren wir fast neun Jahre lang glücklich gewesen.
Er hatte Ihnen durch seine Fotos von Ihnen zu Ihrem ersten Film verholfen, der Sie gewissermaßen über Nacht berühmt machte!
John war ein sehr begabter Fotograf. Wir hatten gemeinsame Ferien in Griechenland verbracht, wo er jene Fotos aufnahm und dann versuchte, sie in Hollywood zu verkaufen. Harry Saltzman, Co-Produzent des ersten James Bond-Filmes, der je gedreht wurde, sah sie und engagierte mich.
Ihre Stimme wurde synchronisiert, weil Sie zu starken Schwyzerdütschen Dialekt sprachen!
Das störte mich überhaupt nicht! Ich erfreute mich an den Dreharbeiten in Ochos Rios auf Jamaika mit Sean Connery (damals 32) als mein Partner. Alles andere war mir wurst und piepe.
Wie fanden Sie sich, die «Eidgenössin mit dem Venusleib», als Schauspielerin?
Nicht zu diesem Beruf gemacht. Ich geriet auch meistens in Panik, wenn ich Text sprechen sollte. Zeit meines Lebens bevorzugte ich Actionfilme, weil ich in ihnen keine Gefühle zeigen musste, was mir arg gegen den Strich geht, weil ich von Natur aus überaus schüchtern bin.
Was erinnern Sie von Ihrem Ex-Mann John Derek am meisten?
Dass er voll auf mich einging, mich so nahm wie ich bin, niemals versuchte, mich zu ändern. Wir blieben bis zu seinem Tod am 22. Mai vor zehn Jahren befreundet. Wie befreundet sehen Sie daran, dass er mir meine Nachfolgerin, die Schauspielerin Linda Evans (damals 26), vorstellte und mich fragte, ob sie wohl für ihn die richtige Frau sei.
Sie war es sichtlich nicht....
Nun ja, irren ist menschlich, oder?
....denn von ihr ließ sich Ihr Ex-Mann 1974 scheiden!
Um zwei Jahre später Bo Derek (damals 20) zu heiraten. Auch sie hat John mir präsentiert. Ich fand das irgendwie rührend und habe ihm zugeraten!
War Ihnen peinlich, dass jener Bikini, den Sie in dem Film «James Bond jagt Dr. No» trugen, vor sieben Jahren bei Christie’s in London versteigert wurde?
Warum sollte es? Ich hatte ihn ja – wie 52 Souvenirs aus meinen anderen Filmen, 37 an der Zahl, selbst in die Auktion gegeben.
Brauchten Sie Geld?
Nicht doch! Bloß hatte ich mein Haus in Los Angeles aufgegeben und wusste nicht mehr wohin mit dem Zeug. Ich bin ja leider eine rücksichtslose Sammlerin, kaufe auf sämtlichen Flohmärkten der Welt Dinge, die ich später weder gebrauchen noch aufstellen kann, die mir aber spontan gefallen, so dass ich sie haben muss.
Was sammeln Sie denn so?
Ausgefallene Möbel, Teppiche, Bilder, Geschirr, Vasen – ach, eigentlich alles, und das alles landet dann irgendwann in irgendwelchen Kisten im Keller oder auf dem Dachboden. Christie’s und ich hatten übrigens damit gerechnet, mein Bikini würde runde 100000 Euro einbringen, aber jener schreckliche 11. September 2001 mit dem Attentat auf das New Yorker World Trade Center ließ die Aktien und das Interesse der Käufer in den Keller rutschen, und so musste ich mich mit einem Bruchteil zufrieden geben.
Wer ist Ursula Andress?
Früher eine abenteuerlustige Frau mit einer irren Lust am Leben. Heute eine kranke, alte, unzufriedene Frau mit Angst vor dem Rollstuhl – dennoch dem legendären Matterhorn in ihrer Schweizer Heimat ähnlich: Nicht so leicht zu bezwingen!