Der Song «Made in Switzerland» hängt auch zwei Tage nach seiner Premiere im ersten ESC-Halbfinale wohl noch der einen oder anderen im Ohr. Voller Euphorie werden darin Schweizer Innovationen wie der Sparschäler, LSD oder die E-Gitarre besungen. Doch haben die auch wirklich alle ihren Ursprung in der Schweiz? Zeit für einen kleinen Faktencheck.
Beginnen wir mit der E-Gitarre. Die wurde in den USA erfunden, massgeblich daran beteiligt war allerdings der aus Basel ausgewanderte Adolph Rickenbacher (1886–1976). In den USA entstanden auch die ersten Versuche und Patente für Reissverschlüsse. Der St. Galler Martin Othmar Winterhalter (1889–1961) sicherte sich 1923 die Patentrechte für Europa und verbesserte die ursprünglichen Modelle. Er gilt somit als der Erfinder des modernen Reissverschlusses.
Auch beim Skilift ist das Wort «modern» entscheidend. So gab es bereits 1908 ein erstes einfaches Modell im Schwarzwald, welches durch eine Wassermühle betrieben wurde. Der erste moderne Skilift mit den klassischen Bügeln wurde allerdings erst 1934 in Davos in Betrieb genommen, entwickelt wurde er vom Zürcher Ingenieur Ernst Gustav Constam (1888–1965).
Mäuse aus der Westschweiz erobern die Welt
Die Songzeile «We invented democracy» ist insofern nicht korrekt – die Demokratie geht auf die alten Griechen zurück. Sprechen wir allerdings von der direkten Demokratie, sieht die Sache wieder etwas anders aus. Einsteins Relativitätstheorie sei gemäss dem Song «theoretisch» auch eine Schweizer Erfindung. Der Physiker wohnte – mit Unterbrüchen – knapp 20 Jahre in der Schweiz, erhielt 1901 gar die hiesige Staatsbürgerschaft.
Die ersten Prototypen für Computermäuse wurden Anfang der 1960er-Jahre in den USA erfunden. Geht es jedoch nicht um Prototypen, sondern um die ersten im Handel erhältlichen Computermäuse, so war das Schweizer Unternehmen Logitech mit seiner 1982 veröffentlichten P4-Maus an vorderster Front dabei. Hofmann-La Roche vertrieb ab 1963 zwar das Beruhigungsmittel Valium (Diazepam). Entdeckt, respektive entwickelt, hat es jedoch der in Österreich-Ungarn geborene und in die USA ausgewanderte Leo Sternbach (1908–2005).
Das World Wide Web wurde zwar 1989 am CERN in Genf entwickelt, dies jedoch von dem britischen Physiker und Informatiker Sir Tim Berners-Lee (69).
Weitere Schweizer Erfindungen aus dem Song
Quarzarmbanduhr: Die erste Quarzuhr entstand zwar in den USA, die erste QuarzARMBANDuhr hingegen wurde vom Zürcher Armin Frei (1931–2012) 1967 im Centre Electronique Horloger (CEH) in Neuenburg mitentwickelt.
Pascal-Programmiersprache: Niklaus Wirth (1934–2024) entwickelte die Programmiersprache Pascal 1970 an der ETH Zürich.
Rotes Kreuz: Henry Dunant (1828–1910) rief 1863 nach der Schlacht von Solferino das Rote Kreuz zur Hilfeleistung in Kriegszeiten ins Leben.
Helvetica-Schriftart: Der Zürcher Grafiker und Typograf Max Miedinger (1910–1980) entwarf 1957 gemeinsam mit Eduard Hoffmann (1892–1980) die Schriftart Helvetica, die weltweit in Design und Werbung verwendet wird.
Velcro-Klettverschluss: Die Inspiration für den Klettverschluss nahm der Schweizer Ingenieur Georges de Mestral (1907–1990) von Kletten, die im Fell seiner Hunde kleben blieben. 1951 liess er seinen Klettverschluss patentieren.
Rex-Gemüseschäler: Alfred Neweczerzal (1899–1959) entwickelte den Schäler, der seit Jahrzehnten in jede Küche gehört, 1947 in Zürich.
Schweizer Taschenmesser: Der Schweizer Klassiker wurde von zu Beginn der 1890er-Jahren für die Armee entwickelt.
Cellophan: Der Chemiker Jacques Edwin Brandenberger (1872–1954) entwickelte 1908 die praktische Verpackung und damit sozusagen den Vorgänger der Frischhaltefolie.
Milchschokolade: Die klassische Milchschokolade wurde 1875 von Daniel Peter (1836–1919) erfunden, er kombinierte dafür Kakao mit Kondensmilch.
Conchiermaschine: Das Gerät, dem wir die zartschmelzende Struktur von Schokolade verdanken, erfand Rodolphe Lindt (1855–1909) 1879.
Schmelzkäse: Geht es um Käse, ist die Schweiz an vorderster Front dabei. Walter Gerber entwickelte 1911 in Thun ein Verfahren, um Käse auch in wärmerem Klima haltbar zu machen.
Knoblauchpresse: Der Küchenhelfer wurde in den 1950er-Jahren im bernischen Lyss von Karl Zysset (1907–1998) erfunden.
DNA (Desoxyribonukleinsäure): Erstmals wurde 1868 die DNA von Friedrich Miescher (1844–1895) in Basel isoliert, er legte damit den Grundstein für die moderne Genetik.
LSD (Lysergsäurediethylamid): Albert Hofmann (1906–2008) forschte bei Sandoz in Basel, wo er 1938 LSD entdeckte.
Automatischer Uhrenaufzug: Abraham-Louis Perrelet (1729–1826) entwickelte 1777 einen Mechanismus, der Uhren durch die Bewegung des Trägers aufzieht.
Müesli: Das Birchermüesli geht auf den Schweizer Arzt Maximilian Bircher-Benner (1867–1939) zurück, der das Haferflockengemisch ab 1900 seinen Patientinnen und Patienten als gesunde, leichte Mahlzeit anpries.
Instantkaffee: Infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 gab es in Brasilien einen Kaffeebohnenüberschuss. Um nicht alle Bohnen vernichten zu müssen, entwickelte Néstle gemeinsam mit dem Schweizer Lebensmittelchemiker Max Morgenthaler (1901–1980) eine Variante, um den Kaffee zu konservieren. Und so wurde Néscafe geboren.
ESC (Eurovision Song Contest): Der internationale Musikwettbewerb geht auf eine Idee von 1955 des damaligen SRG-Generaldirektors Marcel Bezençon (1907–1981) zurück. Ein Jahr später fand die erste Ausgabe in Lugano statt, den Sieg holte sich Lys Assia (1924–2018) mit «Refrain».