BLICK: Sie könnten jetzt für die «Vogue» posieren oder für Karl Lagerfeld defilieren. Doch Sie stehen in Thun bei Regen auf der Seebühne. Wie toll ist das?
Julia Saner: Das ist sehr toll. Mein neues Leben ist schön und spannend. Ich lebe seit Januar in London, arbeite an meinen Fotoprojekten, bereite mich auf mein Medienstudium vor und natürlich jetzt auf meine Musical-Gastrolle in Thun.
Da spielen Sie Charlotte Cardoza. Eine Lebefrau, die ganz alleine die Schiffsreise unternahm. Wie viel von ihr steckt in Ihnen?
Es gibt eine Szene, wo sie als einzige Frau mit Männern im Raucherraum ist. Ihr war dabei völlig egal, was andere über sie denken. Ich habe eineinhalb Jahre international gemodelt, stand im Fokus der Öffentlichkeit. Ich musste auch lernen, dass es mir egal ist, was Leute über mich denken, die mich nicht kennen. Das hat mich stärker und auch freier gemacht.
Weshalb haben Sie Ihre Modelkarriere an den Nagel gehängt?
Es war die Kombination aus sehr viel Reisen und kaum Zeit für Familie und Freunde zu haben. Ich war sehr oft allein, auch einsam. Und ich hatte das Bedürfnis nach Weiterbildung. Dass man auf dem Toplevel als Model einen hohen Preis bezahlt, wusste ich. Und für eine gewisse Zeit wollte ich diesen Preis auch bezahlen. Es war wie ein Deal, auf den ich mich einliess.
Wann kamen die Gedanken ans Aufhören?
Es waren mehr die Fragen, die ich mir stellte. Will ich dieses Leben wirklich die nächsten Jahre weiterleben? Und was kommt danach? Dann erinnerte ich mich daran, dass ein Kollege mir von dieser Uni in London erzählt hat. Mir war klar, dass ich meine Ziele neu setzen wollte.
Waren Sie ausgebrannt?
Nein, das war ich nicht. Ich habe einfach neue Prioritäten gesetzt. Mich interessiert so vieles. Ich habe die Zeit als Model genossen. Sie hat mir aber auch die Augen geöffnet, dass man seinen eigenen Weg gehen muss.
Haben Sie Ihre Karriere gestoppt oder beendet?
Das überlege ich mir gar nicht. Ich werde sicher die nächsten ein bis zwei Jahre studieren. Was dann kommt, werden wir sehen.
Haben Sie den Schritt je bereut?
Nein, bis jetzt noch keinen Moment. Obwohl ich in den eineinhalb Jahren viel Geld verdient habe. Aber ich musste auf mein Herz hören.
Ist Schauspielern weniger anstrengend als Modeln?
Wenn du etwas auf dem Toplevel machen möchtest, gipfelt alles im Gleichen, was Druck, Erwartung und Stress anbelangt. Aber du musst trotzdem immer dein ganzes Herzblut geben. Meiner Sprechrolle hier in Thun sehe ich jetzt aber ziemlich entspannt und mit viel Freude entgegen.