Paul Riniker zum Tod von Mathias Gnädinger (†74)
«Ich trauere um einen Freund»

Die Schweiz trauert um Mathias Gnädinger. Regisseur Paul Riniker erinnert sich in einem Nachruf an die gestern verstorbene Schauspiellegende.
Publiziert: 04.04.2015 um 14:28 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 09:38 Uhr
Mathias Gnädingers letzte Botschaft an seine Familie
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:Mathias Gnädingers letzte Botschaft an seine Familie
Von Paul Riniker

Gestorben ist mir ein Freund. Ein grosses Wort, Freund. Wenn es sich daran misst, wie oft wir uns sahen, dann stimmt es nicht. Aber immer wenn ich ihn traf, fühlte ich mich ihm nahe. Er war in erster Linie ein feinfühliger Mensch, sensibel und warm. Für einen Schauspieler war er extrem unaufgeregt. Er musste sich nie in den Vordergrund drängen, er war präsent, geistig und körperlich. Ein Schwergewicht, in jeder Beziehung.

Was oft übersehen wurde: Er war genau, präzise. Wenn es um die Arbeit, die Schauspielerei ging, zeigte sich der gelernte Typograf. Er achtete auf jedes Detail, und es ärgerte ihn, wenn etwas im Ungenauen blieb.

Ich schnöde ganz gerne mal, nicht bloss über Kritiker, auch über Schauspieler. Wenn ich das mit Mathias versuchte, irgendeinen seiner Kollegen kritisierte, lief ich ins Leere. Er stieg nie darauf ein. Da fühlte ich mich ertappt von einem, der nicht hintenherum, sondern nur offen und gerade agierte.

Wie sich Mathias beim Dreh zu «Usfahrt Oerlike» um Jörg Schneider kümmerte, wie er in keinem Augenblick mit seinem Partner konkurrierte, sondern stets das Spiel mit ihm zusammen suchte, bewunderten alle auf dem Set. Und als er den Film das erste Mal sah, meinte er: «Unglaublich, ich schneide Faxen, während Jörg einfach ruhig bleibt, und trotzdem wirkt er so stark. Bewundernswert.» Ich musste ihm sagen, dass er ja eine andere Rolle hatte als Jörg, und dass seine Gesten und Bewegungen perfekt zu seiner Figur des Willi passten.

Mathias war als Mensch bescheiden. Er hatte beruflich seinen Ehrgeiz, er wollte seine Arbeit perfekt machen, aber dieser Ehrgeiz übertrug sich nicht aufs Private, auf den Menschen Mathias.

Ich denke, dass er gelegentlich zu viel trank, hatte genau damit zu tun, dass er eben so genau, so kontrolliert und auch immer so lieb war. Da musste er wohl ab und zu ein Korsett sprengen, «die Sau rauslassen». Ich denke, er war in gewissem Sinne auch ein Leidender. Er litt am Unrecht dieser Welt.

Seine Bewunderung für seinen Onkel Seppel Gnädinger, den Bauern, Maler und Entwicklungshelfer, verriet viel über Mathias selbst. Seppel war auch genau die Mischung von Ehrgeiz und Bescheidenheit, die ich bei Mathias zu spüren bekam.

Ich trauere um einen Freund und um einen grossen Schauspieler.

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