Darum ist die Oper auch für Junge toll
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Oper – uncool? Auf keinen Fall:Darum ist die Oper auch für Junge toll

Von den Bergen Bayerns an den Zürichsee
So tickt der neue Zürcher Opernhaus-Chef Matthias Schulz

Er stammt aus Bayerns Bergen, ist Konzertpianist und Kulturmanager mit ökonomischem Sachverstand – und jetzt neuer Intendant am Opernhaus Zürich. Matthias Schulz kommt mit mutigen Ideen und internationalem Renommee.
Publiziert: 01.09.2025 um 16:02 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2025 um 07:29 Uhr
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Matthias Schulz freut sich auf die Limmatstadt: «Das Opernhaus Zürich hat eine unglaubliche Geschichte und ist extrem produktiv.»
Foto: Lucia Hunziker / Ringier Schweiz

Darum gehts

  • Matthias Schulz wird neuer Intendant am Opernhaus Zürich mit vielen Plänen
  • Schulz setzt auf Überzeugung statt Autorität und plant innovative Projekte
  • Zehn Opernpremieren und drei Ballettpremieren sind für nächstes Jahr geplant
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Zeno van Essel
Zeno van Essel
Schweizer Illustrierte

Die Dose mit Kaugummis ist in Griffweite. «Meine Sucht», sagt Matthias Schulz (47) und lacht. Er nimmt ein Mentos. Dann neigt er den Blick wieder zum Bildschirm seines Laptops und versinkt in Gedanken. Die Lampe über dem Tisch im schlicht eingerichteten Zimmer seines Künstlerappartements im Zürcher Seefeld hängt etwas schief, an der Wand ein grünes Plakat von Bellinis «La Straniera» aus dem Jahr 2013. Die Farbe der Hoffnung? Die Duftkerze verbreitet an diesem Tag auch ohne Feuer einen Hauch wohnlicher Behaglichkeit.

Als ‹Umblätterer› begonnen

Das ist die karge Seite des Intendantenlebens: einsam unterwegs, Stunden hinter dem Laptop – Mails, Konzepte und Budgetkalkulationen. Musik im Kopf, nicht im Ohr. Diesen Sommer kommt für Matthias Schulz ein Wohn- und Arbeitsortswechsel und ein neues Team dazu. Ein Neuanfang. Wieder einmal. Denn als Kulturmanager hat der Bayer schon viele Stationen hinter sich. Geboren und aufgewachsen ist er im Kurort Bad Reichenhall, direkt an der Grenze zu Österreich und der Alpen-Metropole Salzburg. Es folgen Klavierstudium am Mozarteum, Volkswirtschaftsstudium in München, verschiedene Funktionen bei den Salzburger Festspielen – vom Medienreferenten bis zum Leiter der Konzertplanung –, künstlerische und kaufmännische Leitung der Stiftung Mozarteum Salzburg, Intendanz an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Dazu kommt, dass er auch musikalisch als kleines «Wunderkind» glänzt: Bereits im Alter von elf Jahren spielt er das Haydn-Klavierkonzert mit Orchester!

Ein «Bühnenjob» bringt ihn als Student zu den Salzburger Festspielen: «Ich habe dort als ‹Umblätterer› begonnen», erzählt er. «Ich durfte neben meinem grossen Idol Alfred Brendel sitzen und ihm bei Konzerten die Noten umblättern. Das war für mich eine sehr wichtige Begegnung. Wir haben über vieles diskutiert und hielten Kontakt – bis kurz vor seinem Tod in diesem Jahr.» Die langjährige Freundschaft mit dem legendären Klaviervirtuosen und Essayisten prägt ihn bis heute, da sie ihm gezeigt hat, was Musik und Kultur auch sein können: «Es ist nicht nur die Sehnsucht nach dem Perfekten, sondern auch nach dem Echten», so Schulz.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

«Das Opernhaus Zürich ist etwas Besonderes»

Diesen ewigen künstlerischen Diskurs führt er nun als Intendant am Opernhaus Zürich weiter. «Zürich ist einfach schon so ein Ort», sagt er, und in seiner Stimme schwingt Begeisterung mit, während er mit wehendem Jackett über den Sechseläutenplatz läuft, den Blick auf das beflaggte Opernhaus, wo er jetzt der Chef ist. «Das Opernhaus Zürich ist etwas Besonderes. Es hat eine unglaubliche Geschichte und ist extrem produktiv. Nächstes Jahr machen wir zehn Opernpremieren und drei im Ballett. Das ist einmalig in Europa!» Er nimmt das nicht als Bürde wahr, sondern will diese grosse Tradition mit neuen Ideen bereichern: ein Kinder-Opern-Orchester in Zusammenarbeit mit den Musikschulen der Stadt, ein ehemaliges Kino in Oerlikon als «Musiktheaterlabor», internationale Tourneen nach Hamburg, Wien, München und Paris.

Besonders freut sich Schulz auf die Zusammenarbeit mit dem Opernhaus-Ballett und seiner Direktorin Cathy Marston (50) – für ihn Neuland, da bei der Berliner Staatsoper das Ballett organisatorisch getrennt ist. «An der Oper fasziniert mich, dass sie als Kunstform seit 450 Jahren alles integriert: Musik, Tanz, Literatur, Mode, Handwerkskunst, Malerei, Architektur und noch viel mehr. Oper ist eigentlich von allem zu viel – und deshalb auch immer ein Risiko.»

Oper und Demokratie

Schon mit seiner ersten Produktion geht Matthias Schulz in die Vollen: Die Inszenierung des «Rosenkavaliers» von Richard Strauss, die am 21. September Premiere hat, basiert auf einem Bühnenbild des Hyperrealismus-Künstlers Gottfried Helnwein. Schulz lädt den Kunstweltstar zur ersten Teambesprechung nach Zürich ein, damit er den Mitarbeitenden des Opernhauses persönlich und direkt seine Gedanken und Konzepte vermitteln kann. Auch das ist Matthias Schulz: ein exzellenter Kommunikator und Motivator. Sein Führungsstil, geprägt von frühen Führungsaufgaben, setzt auf Überzeugung statt Autorität. «Oper ist der Ort für eine Demokratieübung», sagt er. «Man setzt sich gemeinsam mit einem Thema auseinander und stellt dann fest, dass die Welt nicht schwarz-weiss ist. Oper liefert keine einfachen Antworten.»

Diese Erfahrung wird er auch im politischen Zürich gut gebrauchen können. Denn beim Zürcher Opernhaus steht ein Bauprojekt an, das einer Volksabstimmung bedarf. «So viel Demokratie bin ich nicht gewohnt», scherzt Schulz. Vorerst stellt ihn Zürich aber noch vor eine andere Herausforderung: Wohnungssuche! Sogar ein Opernhaus-Intendant landet auf der Warteliste. Und mit fünf Kindern zwischen 13 und 25 Jahren brauchen die Schulzens Platz. «Der Umzug ist für uns als Familie schon ein Einschnitt», gibt er zu. Während die drei ältesten Töchter studieren und das Abitur hinter sich haben, werden die beiden jüngsten Kinder in Zürich zur Schule gehen. «Aber ich freue mich darauf, wieder näher zu den Bergen zu sein», sagt Schulz, der ein begeisterter Skifahrer ist, «und natürlich an so einem schönen Ort wie Zürich mit einem See, wo man sogar noch reinspringen kann. Das hätte ich in der Spree in Berlin nicht getan.»

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