Es ist ein Beispiel unter vielen: Eine Etagenwohnung in der Stadt Zürich. Der Kaufpreis beträgt 550000 Franken. Der Käufer sucht eine möglichst günstige Hypothek. Bei diesen tiefen Zinsen, so denkt er, ist das kein Problem. Doch dann erlebt er die Überraschung: «Bank A» schätzt die gleiche Wohnung um 135000 Franken tiefer ein als «Bank C».
Viele Hauskäufer erleben derzeit solche Situationen. Stefan Heitmann (37), Chef des Hypothekarspezialisten MoneyPark, hat dies in einer Studie untersucht. Sie liegt SonntagsBlick exklusiv vor. Die Beispiele sind echt, sie wurden aber anonymisiert.
«Die Abweichungen von Bank zu Bank sind grösser geworden», sagt Heitmann. «Die Kunden müssen aufpassen, dass sie nicht die Leidtragenden sind.» Es geht um viel: Weil «Bank C» die Zürcher Etagenwohnung höher einschätzte, bot sie eine höhere Hypothek an. Der Kunde musste 108000 Franken weniger Eigenkapital bringen.
Ein Blick ins Innere einer Bank zeigt, was abgeht. Es tobt ein Kampf zwischen Verkaufsfront und Risikoabteilung. In der «Bank C» haben offenbar die Verkäufer gewonnen. Anderswo unterliegen die Kundenberater, die möglichst viele Hypotheken vergeben wollen.
Ständig mahnende Behörden und strengere Regeln geben jedoch den «Stäblern» mehr und mehr Oberwasser bei den internen Machtkämpfen. Juristen und Ökonomen müssen in diesen Abteilungen die Risiken für die Bank möglichst klein halten.
«Dieser Machtkampf geht je nach Bank anders aus», sagt Heitmann. Sei der Chef nervös, bremse er die Front. Ist die Bank in einer Region zu stark, werde auch gedrosselt. «Dann bewertet die Bank die Immobilien vorsichtiger.» Das habe nichts mit der Immobilie an sich zu tun. «Für den Kunden wirkt das auf den ersten Blick willkürlich.»
Auch Michael Landolt (41), Chefökonom des Hauseigentümerverbands (HEV), sind die Unterschiede in der Bewertung aufgefallen. «Die Banken können tatsächlich so oder so bewerten. Um wie viel mindert beispielsweise eine Handyantenne auf dem Dach den Wert?
Was ist eine Terrasse wert? Das entscheidet jede Bank anders.»
Und Adrian Wenger, Experte beim VZ Vermögenszentrum (42), warnt: «Auf keinen Fall sollten Kunden automatisch die Bank mit der höchsten Bewertung wählen.» Schaut eine Bank nicht kritisch genug hin, drohe womöglich Jahre später ein Schock: Dann bewerte sie die Immobilie tiefer. «Banken prüfen regelmässig die Immobilien der Kunden. Dann kommt plötzlich ein Brief ins Haus – und sie wollen mehr Kapital.»
Für Immobilienberater Donato Scognamiglio (44) ist der Markt total verunsichert. «Jeder fragt sich, wo es hingeht. Der Regulator will bremsen. Doch so lange Hypotheken so günstig sind, bleibt der Hunger nach Wohneigentum gross.»