Der Frankenschock hat auch seine positiven Seiten: Auslandsferien sind seither so billig wie nie zuvor. Die Swiss gehörte zu den Hauptprofiteuren. Der Kaufkraftgewinn trieb letztes Jahr so viele Schweizer ins Ausland wie nie zuvor. Die Zahl der Swiss-Passagiere erreichte mit 16,3 Millionen ein «historisches Allzeithoch», wie die Airline noch Anfang Jahr jubelte.
Doch jetzt hat die Swiss ins Lager der Jammerer gewechselt: «Die Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses wirkte sich negativ auf das Buchungsverhalten aus», kommentierte der neue Chef Thomas Klühr (53) letzte Woche die Quartalszahlen. Warum denn das? Haben die Schweizer bereits genug von Schnäppchenpreisen beim Fliegen und bleiben lieber zu Hause?
Erst auf Nachhaken sagt die Swiss, was Klühr meinte: Statt mit der Swiss fliegen die Schweizer mit anderen Airlines. Denn diese bieten ihre Flüge zu noch tieferen Preisen an, was die Swiss zu spüren bekommt.
Immerhin: Mit ihren Klagen über den Franken ist die Swiss nicht alleine. In kaum einem Geschäfts- und Quartalsbericht einer Schweizer Firma fehlt derzeit der Hinweis auf die schädlichen Auswirkungen der Frankenstärke. Das Modehaus Charles Vögele, die Grossbank UBS und der Branchenverband Gastrosuisse sind Beispiele für Unternehmen aus unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen, die in den vergangenen Wochen die Frankenstärke beklagten.
«Unternehmer müssen sich mit jedem Kurs abfinden»
Doch sind Klagen fast 16 Monate nach der Aufhebung des Mindestkurses noch glaubhaft? Hätten die Firmen nicht genügend Zeit gehabt, sich anzupassen?
Für Volkswirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger (54) ist klar: «Viele Manager versuchen, ihre Fehler dem Schweizer Franken zuzuschieben.» Natürlich sei es für die Firmen nicht einfach. «Doch Unternehmer müssen sich mit den hohen Kursen abfinden. Diese spiegeln ja nur die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und ihre Handelsüberschüsse.»
Dass die Schweizer Wirtschaft auch mit einem Kurs von 1.10 Franken über die Runden kommt, zeigen die jüngsten Konjunkturumfragen. «Insbesondere die gebeutelten exportorientierten Industriefirmen haben sich etwas erholt», schreibt die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Tatsächlich lagen die Exporte in den ersten drei Monaten dieses Jahres 2,4 Prozent höher als im ersten Quartal des Vorjahres. Dennoch werde es in der Industrie weiterhin Stellenstreichungen geben, prophezeit die KOF.
«Der Volkswirtschaft einen Gefallen tun und Stellen auslagern»
Für Eichenberger gehört der Abbau von Stellen zu einer Marktbereinigung. «Firmen, welche die teuren Löhne in der Schweiz nicht mehr zahlen können, tun der Volkswirtschaft einen Gefallen, wenn sie die Stellen ins Ausland verlagern, statt den Staat zu Hilfe zu rufen.» So würden Arbeitskräfte freigesetzt, die dann in den Firmen, welche die Löhne bezahlen können, viel produktiver eingesetzt werden können.
Stellenverluste seien zwar für jeden Betroffenen hart, aber für die Volkswirtschaft insgesamt und den Wohlstand aller enorm wichtig, sagt Eichenberger.