Vor einem Monat zahlte die UBS wegen versuchter Manipulation von Devisenkursen eine Busse von 774 Millionen Franken. Was kommt noch?
Sergio Ermotti: Das war ein wichtiger Schritt, leider ist die Sache aber noch nicht ausgestanden. Die Einigung mit anderen Behörden steht aus.
Wie teuer wird der Deal mit den Behörden?
Das lässt sich unmöglich im Voraus sagen. Wir sind aber gut vorbereitet.
Der Fall hat Ihnen und der UBS harsche Kritik eingetragen. Hat die Bank aus den früheren Betrugsfällen nichts gelernt?
Doch, eine Menge sogar. Wir haben den Fall als Erste den Behörden gemeldet, mit denen wir abgeschlossen haben. Schon zuvor haben wir die Kontrollsysteme verbessert und eine Kultur eingeführt, die Regelverstösse nicht toleriert. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Was wir gefunden haben, ist teilweise inakzeptabel. Aber es ist auch klar, dass sich Änderungen nicht per Knopfdruck durchsetzen.
Die Finanzmarktaufsicht (Finma) kritisiert, die UBS habe aus den Betrugsfällen Libor und Adoboli nichts gelernt.
Sie müssen auch die Berichte der Behörden in Grossbritannien und den USA lesen. Diese anerkennen, dass wir den Fall als erste Bank gemeldet und untersucht haben. Der Grossteil der hier untersuchten Handlungen geschah vor dem Abschluss des Libor-Falls. Das wurde häufig falsch dargestellt.
Finma-Chef Mark Branson ist ein ehemaliger UBS-Mitarbeiter. Glauben Sie, dass er besonders hart gegen die UBS vorgeht, um seine Unabhängigkeit zu beweisen?
Das denke und hoffe ich nicht. Wir arbeiten gut mit der Finma zusammen. Letztlich macht jeder seinen Job.
Das tönt versöhnlich. Sie haben sich schon oft gegen Kritik gewehrt. Was stört Sie daran?
Mühe habe ich, wenn Leute, die von den Sachverhalten keine Ahnung haben, uns angreifen und populistisch drauflosschlagen mit unakzeptablen Beleidigungen. Mich persönlich trifft das nicht, ich habe eine dicke Haut. Das ist aber unfair gegenüber unseren 20000 Mitarbeitern in der Schweiz. 99,9 Prozent von ihnen leisten ehrliche, harte Arbeit und wollen das Beste für ihre Kunden.
Als Privatpersonen gewiss. Professor Ernst Fehr, der das UBS-Institut an der Universität Zürich leitet, kommt aber in einer Studie zum Schluss, dass die Kultur in den Banken Betrug fördere.
Die Studie ist eine gute Antwort auf alle Kritiker, die glauben, Professor Fehr folge Instruktionen der UBS. Sie beweist, dass er unabhängig ist (lacht). Wir überlegen uns, wie wir seine Erkenntnisse umsetzen können. Einige der Ideen sind gut. Aber nochmals: Ich bin überzeugt, dass die grosse Mehrheit der Bankangestellten hart arbeitende und integre Personen sind. Ich bin mir auch nicht sicher, ob man aus einer Gruppe von 200 auf alle Bankangestellten schliessen kann.
Ein Problem sind die Boni. Sie fördern eine Kultur der Gier.
Vor der Finanzkrise gab es Exzesse. Inzwischen haben sich die Lohnsysteme grundlegend geändert. Die Banken zahlen heute nicht mehr höhere Löhne als andere Industrien. Zudem ist ein Grossteil der variablen Entschädigung aufgeschoben und an Bedingungen geknüpft. Das wird in keiner anderen Branche so rigoros umgesetzt. Die UBS ist besonders strikt. Die Geschäftsleitung verliert einen Anteil des aufgeschobenen Bar-Bonus, wenn die Kernkapitalquote unter zehn Prozent fällt. Das verpflichtet uns zu nachhaltigem Handeln. Einige unserer Konkurrenten sind heute beispielsweise knapp über zehn Prozent und betrachten dieses Niveau gar als nachhaltiges Ziel. Wir liegen bei 13,7 Prozent.
Die UBS hat nach dem Fall Adoboli 2011 das Investmentbanking radikal heruntergefahren. War der Milliardenbetrug im Nachhinein betrachtet ein Glücksfall?
Das wäre definitiv zu viel der Ehre für Herrn Adoboli. Nein, im Ernst, der Fall hat uns viel Geld und Reputa-tion gekostet. Wir wären früher oder später zum gleichen Schluss gekommen. Der Betrugsfall hat die Umsetzung unserer Strategie nur beschleunigt. Heute sind wir weiter als andere.
Sie haben den Umbau einmal mit einem Marathon verglichen. Wo stehen Sie heute?
Bei Kilometer 30.
Dort wird es hart. Bei Kilometer 30 steht die Wand. Plötzlich geht nichts mehr.
Keine Angst, wir sind gut trainiert und laufen nicht den ersten Marathon. Das angeschlagene Tempo können wir gut durchstehen. Wir haben die UBS in den letzten drei Jahren massgeblich verändert. Im Vermögensverwaltungsgeschäft sind wir global führend. Auch in der Schweiz sind wir die Nummer eins. Wir haben die Risiken mehr als halbiert. Unsere Investmentbank ist heute zwar kleiner, dafür aber umso rentabler, kompetitiv und auf die Kunden fokussiert. Die UBS von heute ist nicht mit der UBS vor der Krise zu vergleichen.
An welcher Position liegen Sie im Marathon?
In unserer Kategorie an der Spitze. Es geht jetzt darum, eine möglichst gute Zeit zu laufen.
Der Brunetti-Bericht fordert mehr Eigenkapital für die Grossbanken: Die Schweiz liege nur knapp über dem globalen Minimalstandard und deutlich unter den USA.
Wir vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Professor Brunetti hat selber gesagt, dass die Verschuldungsquote der USA nicht vergleichbar ist. Die Bewertungsgrundlagen sind verschieden und der Kapitalmarkt funktioniert anders. Dort werden Hypotheken an Investoren verkauft. Bei einem fairen Vergleich sind wir auf gleichem Niveau oder besser als die meisten Länder.
Sollten wir nicht die Besten sein?
Natürlich, aber wir dürfen die Sache nicht rein theoretisch betrachten. Man muss auch über die Konsequenzen für die Wirtschaft diskutieren. Wenn die Kapitalkosten steigen, werden Hypotheken und Kredite teurer.
Sicherheit ist auch in Ihrem Interesse.
Klar, deshalb sind wir ja die bestkapitalisierte Bank in unserer Vergleichsgruppe. Die Schweiz kann es sich aber nicht leisten, nur den Musterschüler zu spielen. Es gibt einen Punkt, bei dem die Kosten für die Allgemeinheit höher sind als die Vorteile. Manchmal habe ich den Eindruck, es braucht nur etwas Druck aus dem Ausland, und wir machen uns selber noch weiter schlecht. Aber es ist letztlich Sache der Politik, die volkswirtschaftlichen Konsequenzen abzuwägen.
Viele Schweizer Banken sind noch im Umbau und haben den Steuerstreit mit den USA nicht beendet. Was bedeutet dies für den Finanzplatz?
Laut einer unabhängigen Studie verliert ein Drittel der Schweizer Banken Geld, weitere 20 Prozent machen keinen nachhaltigen Gewinn. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. 20 bis 30 Prozent der Schweizer Banken werden in den nächsten Jahren ihre Eigenständigkeit verlieren.
Das wären 60 bis 80 Institute. Die Bankiervereinigung kam in einer Studie zum Schluss, dass der Schweizer Bankensektor wachsen werde.
Ich sehe das leider etwas anders. Wir haben in den letzten fünf Jahren mehr negative Trends erlebt als in den 20 Jahren zuvor. Wir hatten einen Gift-Cocktail mit starkem Franken, tiefen Zinsen, geringem Risikoappetit und der Krise in Europa. Wachstum und Wertschöpfung werden ausserhalb von Europa geschaffen, in Asien, Lateinamerika oder in den USA. Diese Vermögen werden vor Ort gebucht und verwaltet.
Die Schweiz verliert ihre Vorrangstellung?
Singapur und Hongkong wachsen viel schneller. In einigen Jahren werden sie die Schweiz überholen. Die Schweiz war politisch nicht stark genug, um ihre Position zu verteidigen. Die konkurrierenden Finanzplätze haben das erkannt und Profit daraus geschlagen.
Was bedeutet dies für die UBS?
Wir sind in allen Wachstumsmärkten dabei. In Asien sind wir die Nummer eins. Die kleineren und mittelgrossen Banken haben diese globale Präsenz nicht. Für sie wird es schwieriger.