Starökonom Burkhard Varnholt sagt Börsen-Boom voraus
Der SMI steigt auf 20'000  Punkte!

Boom oder Crash? Der Anlagechef der Bank Julius Bär macht eine glasklare Ansage : Die Börsenkurse werden sich in den nächsten fünf Jahren mehr als verdoppeln.
Publiziert: 10.05.2015 um 16:41 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:36 Uhr
Tiefe Zinsen sind der Treiber: Burkhard Varnholt von der Bank Julius Bär sagt der Börse eine steile Karriere voraus.
Foto: Philippe Rossier
Von Guido Schätti

Seit bald vier Jahren steigen die Aktienmärkte. Die Punktzahl des Swiss Market Index (SMI) hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Vor einem Monat kratzten die Kurse die historischen Rekordmarken. Nun haben sie wieder etwas an Flughöhe verloren. Und schon stellen manche ängstlich die Frage: Kommt jetzt der Crash? Sind Aktien nicht längst überbewertet?

Für Burkhard Varnholt (47) sind dies Zweifel von «Ewiggestrigen». Natürlich schliesst auch der Anlagechef der Bank Julius Bär Rückschläge oder gar Abstürze nicht aus. So wie im letzten Oktober oder nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses Mitte Januar.

Doch der langfristige Trend zeigt für Varnholt in die andere Richtung: nach oben. Und zwar anhaltend, stabil und ungemein kräftig. «Alles deutet darauf hin, dass sich die wichtigen Börsen in den kommenden fünf Jahren nochmals verdoppeln», sagt Varnholt. Für den SMI bedeutet dies: «20000 Punkte im Jahr 2020 sind möglich.»

Tiefe Zinsen sind der Treiber der Aktienhausse

Wie kommt ein Topbanker wie Varnholt zu einer solchen Aussage? Warum lässt er sich auf die Äste hinaus?

In jeder Hochphase melden sich Experten, die neue Rekorde vo-raussagen und alte Gesetzmässigkeiten für ungültig erklären. Varnholt hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche. Er hat den Kollaps der New Economy und die Finanzkrise erlebt. Mit Krisen und Abstürzen – auch solchen von einst gefeierten Ökonomen – kennt er sich aus.

Dennoch lässt er sich nicht abbringen von seiner Prognose. «Ich weiss, 20000 Punkte tönen nach einer mordsmässigen Ansage. Doch wenn wir die Geschichte betrachten, stellen wir fest, dass sich die Aktienmärkte früher bei vergleichbaren Bedingungen sehr ähnlich entwickelt haben.»

Im Vergleich mit Obliga-tionen sind Aktien billig

Varnholts Einschätzung fusst auf einer wichtigen Annahme: dass die Zinsen noch lange so tief bleiben wie heute. Dadurch steigt die Attraktivität von Aktien ganz automatisch.

Schlüsselgrösse ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Es sagt, wie oft der Gewinn eines Wertpapiers im Kurs enthalten ist. Das Resultat gibt Auskunft darüber, ob eine Aktie oder eine Obligation beim gegenwärtigen Kurs teuer oder günstig ist.

Heute beträgt das KGV der 20 Aktien im SMI rund 16. Die Gewinne sind 16-mal im Kurs enthalten. Im historischen Vergleich ist dies relativ hoch. Im Quervergleich mit Obligationen sieht die Rechnung aber anders aus: Eine Staatsanleihe wirft im guten Fall 0,5 Prozent Rendite ab. Das ergibt bei einem angenommenen Kurs von 100 ein KGV von 200.

Fazit: Im Vergleich mit Obligationen sind Aktien spottbillig. Auch bei der Rendite schneiden sie ungleich besser ab: SMI-Titel werfen im Schnitt zwei Prozent Dividende ab – das ist vier Mal mehr als der Ertrag von Obligationen.

Für Varnholt liegt die Schlussfolgerung auf der Hand: «Wenn wir im Jahr 2020 noch das heutige Zinsniveau haben, braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass man dann für Aktien 25- oder 30-mal den Jahresgewinn bezahlen wird.»

Doch ist die Tiefzinsphase von Dauer? Seit mindestens einem halben Jahr rätselt die Welt darüber, wann das Fed, die US-Notenbank, die Zinsen erhöht. Dass sie es tut, gilt als ausgemacht, fraglich ist nur der Zeitpunkt.

Schuldner werden belohnt, Sparer bestraft

Doch Varnholt bezweifelt, dass die Zinswende bevorsteht: «Die Diskussion ist reine Rhetorik. Die Notenbanken wollen damit vor allem zeigen, dass sie unabhängig sind und eigenständig entscheiden. Tatsächlich sind sie aber hypernervös. Sie lassen von allem die Finger, was die Stabilität des Gesamtsystems gefährden könnte. Sobald sie sehen, dass sie auf dünnes Eis kommen, machen sie einen Schritt zurück.»

Als Beleg dafür sieht Varnholt das ständige Herauszögern der Zinserhöhung durch das Fed. «Mal ist es der starke Dollar, mal sind es enttäuschende Arbeitsmarktdaten. Es gibt immer einen Grund, die Zinserhöhung nochmals zu verschieben.» Erst vorletzte Woche vertröstete Fed-Chefin Janet Yellen (68) die Anleger ein weiteres Mal – diesmal war der kalte Winter schuld.

Als «finanzielle Repression» bezeichnet Varnholt die Grosswetterlage, die seit der Finanzkrise die Welt im Griff hat. Um den Kollaps der Wirtschaft zu verhindern, senkten die Notenbanken die Zinsen radikal.Zudem kauften sie Staatsanleihen und blähten ihre Bilanzen auf. Damit entlasteten sie die öffentlichen Haushalte und die Banken von ihren Schulden und verschafften den Unternehmen Zugang zu billigem Geld.

Der Bankrott wurde verhindert, doch die Zeche zahlen die Sparer: «Der Effekt dieser Politik ist eine Umverteilung von Sparern zu Schuldnern», sagt Varnholt. Denn die tiefen Zinsen belohnen alle, die auf Pump leben, und bestrafen jene, die ihre Einkünfte auf die hohe Kante gelegt haben.

Entgehen können sie der schleichenden Enteignung durch den Kauf von Realwerten. «Es spricht alles für Aktien», sagt Varnholt. Die besten Chancen sieht er in europäischen Titeln, da diese besonders von der Geldschwemme der Europäischen Notenbank (EZB) profitieren. Auch die Hausse des chinesischen Aktienmarktes dürfte nach seiner Prognose anhalten. Fonds  und Vermögensverwaltungsmandate bevorzugt er gegenüber einzelnen Aktien. «Man sollte nicht auf Einzeltitel setzen», so Varnholt. «Das lenkt vom Wichtigsten ab.» Und dies ist heute die Flut, die alle Schiffe steigen lässt. l

Burkhard Varnholt ist ein Multitalent. Seit 20 Jahren ist der HSG-Ökonom mit Doktortitel im Anlagegeschäft für verschiedene Banken tätig. Alle zwei Monate legt er den Nadelstreifenanzug ab und reist nach Afrika. Das von ihm gegründete Hilfswerk Kids vor Africa betreibt in Uganda eine Schule. In Berlin betreibt Varnholt gemeinsam mit Ehefrau Salome Grisard das Kunstzentrum Kindl. Das Paar lebt mit den beiden Söhnen in Zürich.

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