So irr ist unsere Landwirtschafts-Politik
Weniger produzieren, mehr kassieren

Bauer Werner Locher wollte wissen, wie er mehr aus seinem Hof machen kann. Die Antwort der Agrarbürokraten: Will Locher mehr verdienen, muss er weniger arbeiten.
Publiziert: 22.02.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:56 Uhr
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Die Milchwirtschaft ist für Bauer Locher ein Verlustgeschäft.
Foto: Sabine Wunderlin
Guido Schätti

Werner Locher (62) ist Bauer mit Leib und Seele. Vor 30 Jahren gab er den Lehrerberuf auf, um seiner Leidenschaft zu frönen: der Arbeit auf dem Acker und im Stall. Auf seinem Hof in Bonstetten ZH hält er 60 Milchkühe, pflanzt Getreide und Mais an und bewirtschaftet 300 Hochstamm-Obstbäume.

Ebenso engagiert ist Locher in der Politik. Er ist Sekretär der bäuerlichen Kampforganisation Big-M, die sich für höhere Milchpreise einsetzt. Egal, ob die Bauern in der Schweiz streiken, in Brüssel protestieren oder dem Papst ihre Anliegen überbringen: Locher ist dabei.

Gebracht hat ihm das alles wenig. Zumindest finanziell. Locher kann krampfen und kämpfen, soviel er will, seine Rechnungen kann er nur bezahlen, weil die Ehefrau als Lehrerin arbeitet. «Die Arbeit auf dem Hof ist eine Nullrunde», sagt Locher.

Das alles stört ihn nicht besonders. Dazu ist Locher zu gerne Bauer. Und es hält auch Sohn Kaspar (27) nicht davon ab, in die Fussstapfen des Vaters zu treten. Doch nur für Gottes Lohn will dieser nicht schuften. Deshalb haben die Lochers Unterstützung beim Zürcher Bauernverband angefordert. Dieser sollte abklären, ob der Hof mit einer anderen Bewirtschaftung mehr abwerfen könnte.

Zehnmal weniger Kalorien, doppelt so viel Direktzahlungen

Und siehe da: Das Potenzial für Zusatzeinnahmen ist enorm. Die Spezialisten des Bauernverbandes schlagen vor, aus der Milchwirtschaft auszusteigen, 40 der 60 Kühe zu verkaufen. Zudem soll die Ackerbaufläche halbiert und das frei werdende Land in eine Buntbrache umgewandelt werden.

Die Produktion würde eingedampft. Heute könnten fast 400 Menschen von den Kalorien leben, die Locher produziert. In Zukunft wären es noch 40. Dafür gingen die Einnahmen vom Staat nach oben: «Durch die ­Betriebsumstellung können die Direktzahlungen auf 200 Prozent optimiert werden», steht in der Analyse.

Das Ergebnis hat Locher in seinem Selbstverständnis erschüttert. «Bei einer Buntbrache reicht es, einmal im Jahr mit der Mähmaschine darüberzufahren und ansonsten die Füsse hochzulagern. Dafür bin ich doch nicht in die landwirtschaftliche Schule gegangen.» Er selber werde nichts Neues mehr anfangen, sagt er. Ob Sohn Kaspar den Betrieb optimiert, ist noch offen.

Volksinitiative soll Klarheit bringen

Locher hofft nun auf die vom Bauernverband eingereichte Initiative für Ernährungssicherheit. Sie will die Produktion wieder in den Mittelpunkt stellen und fordert Massnahmen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln aus einheimischer Produktion zu erhöhen. «Es bringt nichts, wenn wir eine Landwirtschaft haben, die niemand will», sagt Locher. «Das Volk muss jetzt entscheiden.» 

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