Sieben Jahre nach ihrer Rettung zahlt die UBS wieder Gewinnsteuern
«Wichtig ist, dass wir auf dem Boden bleiben»

500 Mio. Franken Steuern liefert die UBS 2016 ab. Schweiz-Chef Lukas Gähwiler über Bescheidenheit, die SVP und was Bratwurst mit Regulierung zu tun hat.
Publiziert: 13.12.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:49 Uhr
Interview von Christine Maier und Guido Schätti, Fotos von Sabine Wunderlin

Herr Gähwiler, mit Guy Parmelin sitzt künftig ein zweiter SVP-Vertreter im Bundesrat. Was sind Ihre Erwartungen?
Lukas Gähwiler: Wir hoffen, dass Anliegen der Wirtschaft mit dem neuen Parlament und Bundesrat mehr Gewicht bekommen. Dass der Regulierungsdschungel gelichtet und Rahmenbedingungen liberaler gestaltet werden. Auf der anderen Seite wird es mit dem neuen Parlament nicht einfacher, eine Lösung mit der EU zu finden.

Sie sprechen die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP an. Wie stehen Sie zur SVP?
Wir pflegen gute Kontakte zu allen Parteien. Aber für einen starken ­Finanzplatz haben sich in den letzten Jahren vor allem die Mitteparteien eingesetzt.

«Für einen starken Finanzplatz haben sich in den letzten Jahren vor allem die Mitteparteien eingesetzt»
Foto: Sabine Wunderlin

Wie wichtig ist die Personenfreizügigkeit für die UBS?
Wir beschäftigen in der Schweiz mehr als 21000 Mitarbeiter aus 87 Nationen. Die Hälfte ist im Schweizer Geschäft tätig, die anderen 10000 arbeiten am Hauptsitz für die gesamte Bank. Diese Leistungen könnten grundsätzlich überall erbracht werden. Falls wir die nötigen Spezialisten künftig nicht mehr zu uns holen können, müssten wir vermehrt zu ihnen gehen. Das möchten wir als Schweizer Bank ­eigentlich nicht. Die Personenfreizügigkeit ist deshalb für uns sehr wichtig.

Sie haben gute Nachrichten zum Jahresende: Erstmals seit 2007 zahlt die UBS wieder Gewinnsteuern. Warum so lange nicht?
Während der Finanzkrise musste die UBS hohe Verluste schreiben. Diese konnten wir in den Folgejahren gegen Gewinne aufrechnen. Nun haben wir mit der UBS Switzerland AG im Juni 2015 eine eigene Gesellschaft für das Schweizer Geschäft gegründet. Sie arbeitet sehr profitabel und zahlte deshalb von Anfang an Steuern.

Wie viel?
Wenn sich unsere Pläne verwirklichen, dann werden wir 2016 auf Bundes-, Kantons-, und Gemeindeebene gegen eine halbe Milliarde Franken Steuern zahlen. Für das laufende Jahr wird es ein Betrag im dreistelligen Millionenbereich sein.

Sieben Jahre nach der Rettung durch den Staat können Sie nun also einen Schlussstrich ziehen.
Wir sind froh, dass alles wieder normal läuft und wir wieder Steuern zahlen. Ich möchte noch einmal betonen, dass wir dem Staat sehr dankbar sind, dass er die Bank 2008 in ­einer schwierigen Situation unterstützt hat. Damit bewies die Schweiz viel Mut. Natürlich sind wir erleichtert, dass der Bund und die Nationalbank an ihrem Support letztlich mehr als sechs Milliarden Franken verdient haben.

«Wenn wir unser Filialnetz halten wollen, müssen wir die Kundenbasis um 50 Prozent steigern»
Foto: Sabine Wunderlin

Wie sicher ist die UBS heute?
Es gibt nirgendwo 100-prozentige Sicherheit. Aber das Finanzsystem ist heute insgesamt substanziell stabiler. Wir als UBS haben unsere Lehren aus der Krise gezogen. Wir haben uns strategisch neu ausgerichtet und das Schweizer Geschäft sowie die globale Vermögensverwaltung ins Zentrum gestellt. Wir haben seit 2011 die Risiken halbiert und die Kapitalquote verdoppelt.

Das Vertrauen in Ihre Institution war nach der Krise komplett am Boden ...
… das stimmt. Aber es ist uns gelungen, das Vertrauen zurückzugewinnen. Der wichtigste Punkt ist sicher, dass unser Unternehmen wieder floriert, und wir Quartal für Quartal ­einen beachtlichen Gewinn machen. 2015 haben wir in der Schweiz in den ersten drei Quartalen das ­beste Ergebnis der letzten fünf Jahre erzielt. Wir haben ein Drittel mehr Neukunden als im Vorjahr. Das spricht für sich.

Die UBS steht heute besser da als andere Banken. War es ein Vorteil, dass die Bank von der Krise so stark getroffen wurde, dass eine tief greifende Reform unumgänglich war?
Es ist eigentlich tragisch, hat aber ­einen wahren Kern: Erst wenn es einem wirklich schlecht geht, handelt man entschieden. Das haben wir in der Krise getan. Wichtig ist jetzt, dass wir auf dem Boden bleiben.

Sie haben Angst, dass Ihre Banker wieder abheben?
Bei den allermeisten war diese Gefahr nie gross. Aber es ist schon so: Wenn es einem gut geht, muss man einen Effort machen, um bescheiden zu bleiben.

Wie tun Sie das?
Kultur lässt sich nicht von oben verordnen. Das Wichtigste ist, sie zu leben. Das versuche ich auch meinen Kindern weiterzugeben. Am Zukunftstag war mein zehnjähriger Sohn bei Sitzungen dabei und durfte später auch mit in die Tiefgarage. Dort hat ihm natürlich ein Aston Martin am besten gefallen, vor allem, weil er mal so richtig aufs Gas drücken durfte. Nachher meinte er, sein Papa habe wohl keinen so guten Job, weil er nicht auch einen Sportwagen fahre (lacht). Daheim haben wir dann lange darüber diskutiert, was wirklich wichtig ist im Leben und was nicht.

Die UBS betreibt 300 Geschäftsstellen. Haben sie eine Zukunft?
Ja. Wir haben in den letzten Jahren mehr als eine Milliarde in der Schweiz investiert, in den Umbau der Geschäftsstellen, in Ausbildung, neue Technologien. Aber es ist klar: Wenn wir die Geschäftsstellen langfristig erfolgreich betreiben wollen, müssen wir in den nächsten zehn Jahren die Kundenbasis um 50 Prozent steigern.

«Erst wenn es einem wirklich schlecht geht, handelt man entschieden»

Das ist eine grosse Ansage!
Zu wachsen, ist absolut wichtig. Ich bin überzeugt, dass wir unseren Marktanteil in der Schweiz noch deutlich steigern können. Wir haben in den letzten fünf Jahren allein in die Digitalisierung dreistellige Millionenbeträge investiert. Wir müssen wachsen, damit wir diese Kosten vernünftig verteilen können.

Warum klagen alle Banker über Regulierungen? Haben diese nicht auch dazu geführt, dass unter anderem die UBS wieder auf festem Boden steht?
Wir sind nicht gegen massvolle Regulierung. Aber in vielen Bereichen wurde übers Ziel hinausgeschossen. Eine simple Analogie: Sie gehen zum Metzger, um eine Bratwurst zu kaufen. Der fragt Sie dann: «Welchen Body-Mass-Index haben Sie? Wissen Sie, dass tierische Fette schädlich sind? Dass Tiere für diese Wurst geschlachtet werden mussten? Dass diese Wurst von St. Gallen nach Zürich transportiert wurde und die CO2-Bilanz belastet?» Sie werden keine Lust mehr auf Wurst haben. In der Finanzbranche sind wir nicht mehr weit von solchen Zuständen entfernt. Das entmündigt den Kunden und führt letztlich zu höheren Preisen.

Wie beurteilen Sie die Lage der Wirtschaft zum Jahresende?
Ich glaube, das Jahr 2015 endete bereits am 15. Januar mit dem Entscheid der Nationalbank, den Euro-Mindestkurs aufzuheben. Sämtliche Budgets wurden zu Makulatur. Dieser Entscheid hinterlässt Spuren, ganz klar. Viele exportorientierte Firmen und Zulieferer kämpfen ums Überleben.

Hat die Nationalbank einen Fehler gemacht?
Die Nationalbank hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sie ist in einer ganz schwierigen Situation, denn de facto können wir keine unabhängige Geldpolitik betreiben. Die Schweiz ist keine Insel. Jeder, der das anders sieht, lebt im Märchenland. Der Mindestkurs musste früher oder später aufgehoben werden.

Wie beurteilen Sie die Aussichten für 2016?
Wir gehen davon aus, dass es nächs­tes Jahr ein Wachstum von etwas über einem Prozent geben wird. Wenn man aber sieht, dass der Grund hierfür primär die Zuwanderung, das Gesundheitswesen und das Wachstum der öffentlichen Verwaltung sind, ist es eher ein Stillstand. Und das ist ein tiefer gehendes Problem: In der Industrie wurden seit 1991 unterm Strich keine neuen Arbeitsplätze geschaffen.

Machen Sie sich Sorgen um die Schweizer Wirtschaft?
Ich bin immer wieder zutiefst beeindruckt, wenn ich bei Kundenbesuchen sehe, wie innovativ und flexibel die Unternehmer sind, selbst in schwierigen, fast aussichtslosen Situationen. Unsere Unternehmen brauchen Freiheit – und nicht immer mehr administrativen Aufwand. Wenn man ihnen ihre Freiheit lässt, wird mir nicht bang ums Herz.

Persönlich

Lukas Gähwiler (50) ist seit 2010 Chef der UBS in der Schweiz und Mitglied der UBS-Konzernleitung. Der Ostschweizer absolvierte einst bei der St. Galler Kantonalbank eine Banklehre, ging in die USA und stieg bei der Credit Suisse bis zum Kreditchef auf. Später holte ihn der damalige CEO Oswald Grübel (71) zum Erzrivalen UBS. Gähwiler ist in Goldach SG aufgewachsen. Mit Frau Sandra, einer Kanadierin, und den drei Kindern lebt er im Kanton Zürich.

Lukas Gähwiler (50) ist seit 2010 Chef der UBS in der Schweiz und Mitglied der UBS-Konzernleitung. Der Ostschweizer absolvierte einst bei der St. Galler Kantonalbank eine Banklehre, ging in die USA und stieg bei der Credit Suisse bis zum Kreditchef auf. Später holte ihn der damalige CEO Oswald Grübel (71) zum Erzrivalen UBS. Gähwiler ist in Goldach SG aufgewachsen. Mit Frau Sandra, einer Kanadierin, und den drei Kindern lebt er im Kanton Zürich.

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