Wie schnell sich die Zeiten doch ändern: Noch vor 20 Jahren hätten sich Bergbahnen geweigert, ein Mountainbike zu befördern. Biker hatten einen miesen Ruf. Immer wieder kam es zu Konflikten mit Wanderern und Bergbauern.
Weil die Gäste aus Deutschland, China und Russland seit einiger Zeit einen Bogen um die Schweiz machen, wie das Bundesamt für Statistik gestern erneut bestätigte, gelten Biker heute als Retter des Sommer-Tourismus.
Mountainbike-Strategie
Ferienorte setzen vermehrt auf die Radsportler, um ihr Sommergeschäft zu beleben. Dass das funktioniert, zeigt das Beispiel in der Lenzerheide GR. Seit 2009 haben die Bündner eine Mountainbike-Strategie.
In den letzten drei Jahren haben sich die Frequenzen der Bahnen im Sommer mehr als verdoppelt. Einer der Hauptgründe: «Biker kommen im Gegensatz zu Wanderern auch, wenn es regnet. Nach dem Motto: Je mehr Dreck, desto besser», sagt Peter Engler (54), CEO der Lenzerheide Bergbahnen, zu BLICK. An schönen Tagen transportieren die Bahnen bis 800 Mountainbiker. Wenn es regnet 300, wie die «Hotel Revue» schreibt.
«Ohne Biker würden wir im Sommer nur die Hälfte des Umsatzes machen. Wir müssten uns überlegen, einige Bahnen zu schliessen.» Heute sind in der Region Arosa-Lenzerheide im Sommer zehn Bahnen in Betrieb. Die Bergbahnen wollen das Angebot weiter ausbauen.
10'000-fränkige Velo
Vom Bikeboom profitieren auch Gastronomie und Hotellerie. Biker geben laut Bruno Fläcklin (43), Tourismusdirektor Lenzerheide, mehr Geld aus als Wanderer. Wer eine Tagestour macht, nimmt nur einen kleinen Rucksack mit. Und konsumiert dann in den Restaurants. Und: «Wer mit einem 10'000-fränkigen Velo unterwegs ist, der schläft nicht im VW-Büssli, sondern gönnt sich ein Viersternehaus mit einem edlen Restaurant.»
Mit Interesse verfolgen auch die neuen Eigentümer der eben vor dem Aus geretteten Lagalb-Bahn im Oberengadin das Geschäft mit den Bikern. «Priorität haben zwar ganz klar das Wintergeschäft», sagt Franco Tramèr (51), Präsident des Verwaltungsrates der Piz Nair AG. «Wir denken aber intensiv über einen Sommerbetrieb nach.» Man werde die Idee eines Mountainbike-Eldorados auf der Lagalb weiterverfolgen.
«Es ist clever, dass Bergbahnen auf die Biker setzen», sagt Jürg Stettler (51), Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern. Es handle sich um eine wachsende Zielgruppe mit einem höheren Anteil an jungen Gästen. «Damit kann ein Tourismusort seine Positionierung verändern.»
Konkurrenz ist gross
Zudem stehe eine ganze Industrie dahinter. Und es liessen sich spannende Events inszenieren. Downhill-Fahrer etwa seien für die Bergbahnen lukrativ, weil sie immer einen Tagespass lösen. Aber: «Die Konkurrenz ist gross. Neben Graubünden setzt auch das Wallis im Sommer voll auf die Biker», sagt Stettler. Nicht ganz freiwillig: «Der Trend geht weg vom Winter. Die Betreiber sind gezwungen, auch im Sommer Geld zu verdienen, um zu überleben», sagt Stettler. Da mache es Sinn, die Winterinfrastruktur zu nutzen.