Neuer Job mit 51!
«Man muss den Stolz überwinden»

Über 50 und ohne Job – eine schwierige Situation. Ältere Arbeitnehmer auf Stellensuche haben es schwer. Stephan Brunner fand eine Stelle. Kein leichtes Unterfangen.
Publiziert: 27.12.2015 um 22:23 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 12:16 Uhr
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«Es gibt immer jemandem, dem man weniger zahlen kann,» fasst Stephan Brunner (51) die Situation der älteren Arbeitssuchenden zusammen.
Foto: Stefan Bohrer/SonntagsBlick
Von Moritz Kaufmann

Es gibt einen Satz, den Stephan Brunner (51) nicht mehr hören kann: «Sie sind zu teuer.» Seit über 30 Jahren arbeitet der Basler in der Gastrobranche. Länger als drei Jahre war er nie in einem Betrieb. «Mitte 40 wurde es richtig schwierig. In den letzten zehn Jahren hatte ich sicher zwölf Arbeitgeber», erzählt Brunner.

Immer wieder wurde er arbeitslos, landete in RAV-Beschäftigungsprogrammen, fand eine neue Stelle, wurde wieder arbeitslos. Brunner war «zu teuer». Er hat eine abgeschlossene Lehre, Berufserfahrung, ein gewisses Alter.

Arbeitslosigkeit über 50 ist ein schwieriges Thema. Statistisch steht die Schweiz gut da. Die Beschäftigungsrate von Menschen zwischen 55 und 64 ist weltweit eine der höchsten. Doch es gibt auch andere Zahlen: Nach einer Kündigung brauchen über 50-Jährige länger, um wieder einen Job zu finden. Sie landen überdurchschnittlich oft in der Langzeitarbeitslosigkeit.

In der Gastrobranche geht es besonders brutal zu. Im August meldete SonntagsBlick dort eine Arbeitslosigkeit von knapp acht Prozent. Heute liegt sie bei knapp zehn. «Es gibt immer jemanden, dem man weniger zahlen kann. Jungen, Ungelernten oder Praktikanten», sagt Brunner.

Er zitterte jedes Mal, wenn der Pächter wechselte. Viele betrachteten Mitarbeiter nur als Kostenstellen. Brunner hätte zur Not Zugeständnisse beim Lohn gemacht: «Aber sie haben mich vor vollendete Tatsachen gestellt.»

Stephan Brunner erzählt ohne Wut. Groll auf die Jungen, auf Ausländer, die ihm vorgezogen werden? «Das bringt doch nichts. Es sind die oben, die entscheiden. Nicht die unten.»

«Es gibt immer jemandem, dem man weniger zahlen kann,» fasst Stephan Brunner (51) die Situation der älteren Arbeitssuchenden zusammen.
Foto: Stefan Bohrer/SonntagsBlick

Nun hat er Grund zur Zuversicht. Im September fand er eine neue Stelle. Er ist jetzt Betriebsleiter der Restaurant & Bar «100» in Basel, die thailändische und Schweizer Gerichte serviert. Der Job ist unbefristet.

Vermittelt hat ihn der Verein Save 50 Plus, bei dem Brunner auch ein Coaching in Anspruch genommen hat. «Es gibt Hilfe», sagt er, «man muss aber den Stolz überwinden und sie annehmen.»

So lernte Brunner, an sich zu arbeiten. Er machte das Wirtepatent, wobei er einer der ältesten in der Klasse war. Bezahlt hat er es selber: «Manchmal muss man unten durch. Das bringt einen weiter.»

Es ist nicht so, dass Brunner nie in Frustration abzurutschen drohte. Er kennt das Gefühl der Ohnmacht. Doch: «Sich zurückzuziehen, ist gefährlich.» Betroffenen rät er, sich zu beschäftigen. «Als ich arbeitslos war, ging ich wandern oder schwimmen.» Und unter die Leute: «Ich habe vier, fünf gute Freunde. Auf die konnte ich mich auch verlassen, als es schwierig war.»

Die Job-Angst wächst

Im Gastgewerbe liegt die Arbeitslosenquote mit 9,9 Prozent höher als in allen anderen Branchen – jeder Zehnte ist ohne Job. Ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt ist die Arbeitslosigkeit in der Uhrenindustrie (8,6 Prozent) und im Baugewerbe (6,3 Prozent).

Über alle Branchen lag der Anteil der Arbeitslosen im November bei 3,4 Prozent. Fachleute schätzen, dass der Frankenschock bisher rund 20'000 Jobs gekostet habe. Gemäss der Prognose des Bundes wird die Arbeitslosigkeit 2016 auf 3,6 Prozent steigen.

In den Köpfen ist die Angst vor dem Jobverlust bereits angekommen: Gemäss dem Sorgenbarometer der Credit Suisse sieht die Bevölkerung in der Arbeits-losigkeit das grösste Problem der Schweiz. l

Im Gastgewerbe liegt die Arbeitslosenquote mit 9,9 Prozent höher als in allen anderen Branchen – jeder Zehnte ist ohne Job. Ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt ist die Arbeitslosigkeit in der Uhrenindustrie (8,6 Prozent) und im Baugewerbe (6,3 Prozent).

Über alle Branchen lag der Anteil der Arbeitslosen im November bei 3,4 Prozent. Fachleute schätzen, dass der Frankenschock bisher rund 20'000 Jobs gekostet habe. Gemäss der Prognose des Bundes wird die Arbeitslosigkeit 2016 auf 3,6 Prozent steigen.

In den Köpfen ist die Angst vor dem Jobverlust bereits angekommen: Gemäss dem Sorgenbarometer der Credit Suisse sieht die Bevölkerung in der Arbeits-losigkeit das grösste Problem der Schweiz. l

Der Beruf macht ihm noch immer Spass. «Der Kontakt mit den Menschen ist wie ein Motor.» Für seinen neuen Job lernt er gerade, wie man Menschen führen kann.

«Ich fühle mich ein wenig wie ein Lehrling», sagt Brunner und grinst.

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