Herr Meierhans, die Preise in der Schweiz sind immer noch hoch. Konsumenten fahren zum Protestkauf ins Ausland. Finden Sie das gut?
Stefan Meierhans: Die Leute davon abzuhalten, hat noch nie etwas gebracht. Ich mache keinem einen Vorwurf, der den Wettbewerb nutzt. Entscheiden muss das jeder für sich selbst.
Kaufen Sie auch im Ausland?
Ich bin kein Einkaufstourist. Da bin ich in Bern zu weit weg von der Grenze. Und ich will meinen Kindern nicht zumuten, im vollen Zug nach Domodossola zu fahren. Ich nutze aber oft Online-Shops. Ich bestelle bei Schweizer Versandhändlern oder auch im Ausland. Den Anzug, den ich trage, habe ich online gekauft.
Schweizer kaufen immer mehr online. Gerade jetzt könnten wir vom starken Franken profitieren. Wenn da nicht die hohen Zollkosten wären.
Früher hat man noch mehr bezahlt, oft über 40 Franken. Heute bewegen sich die Abfertigungsgebühren bei rund 20 Franken, auch weil wir interveniert haben. Aber die Freigrenze ist klar zu tief. Ich habe bereits schriftlich bei Finanzministerin Widmer-Schlumpf interveniert. Der Grenzwert für Pakete müsste verdoppelt werden. Dann wären Waren bis 130 Franken nicht zu versteuern. Das gäbe mehr Wettbewerb. Und nur so sinken die Preise.
Und die Zollfreigrenze beim Grenzübertritt – könnten wir die nicht ganz aufheben?
Ich bin liberal und für Wettbewerb. Wollen wir die Schweizer denn einsperren? Die Freigrenze muss bei mindestens 300 Franken bleiben. Und die Freigrenzen für Fleisch müssen wieder erhöht werden. Es gibt ja bereits Politiker, die die Freigrenze senken wollen. Ich halte das für den falschen Weg.
Mit tiefen Grenzwerten und happigen Gebühren will man uns faktisch verbieten, im Ausland einzukaufen.
Man legt dem Wettbewerb ganz klar Steine in den Weg. Es gibt viele Sonntags-Liberale in der Schweiz. Wenn sie der Wettbewerb am Montag oder Dienstag selbst trifft, sind sie nicht mehr so liberal. Wir verdienen jeden zweiten Franken im Ausland. Export-Unternehmer wie Spuhler und Hayek sind dem Wettbewerb ausgesetzt. Wenn es aber ums Inland geht, schotten wir uns ab. Gerade beim Online-Handel sind wir Schweizer virtuell eingesperrt.
Bei den Lebensmitteln sind wir besonders protektionistisch. Muss da jetzt nicht etwas passieren?
Die hohen Lebensmittelpreise sind ein gravierender Nachteil für unsere Hotellerie und Restaurants und bedrohen damit Arbeitsplätze. Unsere Hotels und Restaurants stehen im weltweiten Konkurrenzkampf um Gäste. Wenn die Schweizer Gastronomie das Fleisch mit jährlich mehr als 350 Millionen Franken überzahlt, ist sie im internationalen Konkurrenzkampf arg in Rücklage.
Ihre erste Bilanz: Wie haben die Verkäufer in der Schweiz bisher auf den starken Franken reagiert?
2011, beim letzten Mal, als der Franken so stark war, ging es sechs bis neun Monate, bis die Preise auf breiter Front sanken. Erst, nachdem die Konsumenten gehörig Druck machten. Heute geht es viel schneller. Es gibt bereits erste Anbieter, die von sich aus 20 Prozent Rabatt gewähren. Der Handel will die Konsumenten nicht mehr verärgern. Das freut mich. Ich habe trotzdem seit dem Entscheid bereits 40 Anzeigen bekommen. Damit sind es seit Jahresbeginn bereits 130 Meldungen.
Wo können wir denn auf tiefere Preise hoffen?
Die Konsumenten können dort tiefere Preise erwarten, wo der Fremdwährungsanteil gross ist. Zum Beispiel bei Autos. Ein VW wird komplett im Ausland gefertigt und dürfte ungefähr 90 Prozent Euro-Anteil aufweisen. Da können Sie schon mit bis zu 18 Prozent Nachlass rechnen, wenn der Euro über längere Zeit 20 Prozent einbüsst.
Die Preise sind auch dann noch höher als im Ausland.
Der Währungsvorteil ist eben nur ein Teil der Gleichung. Wir bezahlen immer noch einen «Schweiz-Zuschlag» durch die Abschottung des Marktes. Das ist ein strukturelles Problem.
Was ist Ihre Lösung?
Wir brauchen einen wirksamen Schutz vor überhöhten Preisen. Das Kartellrecht muss verschärft werden. Letztes Jahr fiel die geplante Revision im Nationalrat durch. Da braucht es einen neuen Anlauf. Wenn die Verkäufer wissen, dass sie sich nicht alles erlauben können, wird sich die Situation entspannen.
Sie denken an Schweizer Firmen, die im Ausland einkaufen. Profitieren die denn nicht vom starken Franken?
Gerade KMU bezahlen immer noch zu hohe Preise. Parallelimporte aus dem günstigen Ausland sind zwar erlaubt, aber in der Praxis schwierig. Ein Mechaniker braucht regelmässig Schrauben, und er muss sie rasch haben. Wenn er dann im Ausland nicht richtig bedient wird, weil der Generalimporteur das nicht möchte, nützen ihm die tiefen Preise nichts. Die Generalimporteure müssten jetzt ihre Preise senken.
Unternehmen klagen über die hohen Bürokratie-Kosten in der Schweiz. Zu Recht?
Wenn wir die Kosten im Inland senken, hilft das der Wirtschaft. Ich denke an den gesamten Service public. Wenn wir das Wasser in Crans-Montana oder Leukerbad billiger machen, dann ist das gut für Wellnesslandschaften und Schneekanonen. Bei der Post haben wir kürzlich erreicht, dass der Massenrabatt für Sendungen von 500 auf 350 gesenkt wurde. Damit können KMU günstiger Werbung machen. Solche Interventionen sind mit der Frankenstärke nun umso wichtiger.