Jetzt wollen Städte mit ÖV-Werbung richtig abkassieren
Hier rollt der Rubel

Die Scheiben von Bussen und Trams werden mit Werbung zugekleistert. Jetzt kooperieren Zürich, Basel, Bern, Genf und Lausanne, um noch grössere Kampagnen fahren zu können.
Publiziert: 26.03.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:56 Uhr
Während der Uhrenmesse Baselworld sieht man in Basel besonders viele Uhren auf den Trams.
Foto: Stefan Bohrer
Moritz Kaufmann

Bikinis, Uhren, Billigflüge. Bus und Tram werden immer mehr zu rollenden Plakatwänden. Die ÖV-Unternehmen haben ihre Fahrzeuge als Geldmaschinen entdeckt. Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) haben letztes Jahr 8,7 Millionen Franken mit Tram- und Bus-Werbung umgesetzt. In Basel wurde 2016 extra ein Unternehmen gegründet, um die Werbeflächen der Basler Verkehrsbetriebe (BVB) und Baselland Transport (BLT) besser zu vermarkten. «Wir haben das Geschäft aus dem Dornröschenschlaf geküsst», sagt Hans-Georg Bell (38), Chef von Moving Media Basel. 

Noch seien die verdienten Millionenbeträge einstellig, so Bell. Jährlich strebt er aber fünf Prozent Wachstum an. «Wir wollen den zweistelligen Millionenbereich in den nächsten Jahren knacken.»

Schulterschluss der ÖV-Riesen

Anders als in Basel und Zürich hat man in Bern das Vermarkten der rollenden Werbeflächen bisher der Plakatgesellschaft APG überlassen. Jetzt will aber auch der städtische Verkehrsbetrieb Bernmobil Gas geben. Seit einer Woche ist der Auftrag «Vermarktung und Bewirtschaftung von Werbung in und an den Fahrzeugen von Bernmobil» öffentlich ausgeschrieben. 

Um noch mehr zu verdienen, wollen die ÖV-Betriebe der grossen Agglomerationen – Zürich, Basel, Bern, Genf und Lausanne – jetzt zusammenspannen: «So erreichen wir rund 80 Prozent der ÖV-Nutzer in der Schweiz», sagt Bell. Das Ziel: Grosse Kampagnen sollen gleichzeitig durch die grossen Städte kurven. In Zürich bestätigt Thomas Meier, Leiter Verkauf bei den VBZ: «Als ersten Schritt haben wir die Formate harmonisiert. Zudem haben wir erste gemeinsame Werbeaktivitäten gemacht.» 

Schub verleiht den ÖV-Unternehmen neues Rollmaterial. Dieses bietet grössere beklebbare Flächen und dazu Bildschirme, die mit Werbung bespielt werden können. BVB und BLT haben gerade einen Teil ihrer Tramflotte erneuert, in Zürich kommen bald neue Trams und Bern bereitet möglicherweise auch eine Trambeschaffung vor. «Das machts spannend für die Werbekunden», freut sich Werbevermarkter Bell.

Schwindelgefühle bei Passagieren

Druck kommt auch aus der Politik: Die Kantone müssen sparen. Die Defizite, die die ÖV-Unternehmen jährlich generieren, liegen schwer auf der Tasche. «Die Kantone Basel und Baselland wollen einen höheren Selbstfinanzierungsgrad des ÖV», so Bell. 

Wenig begeistert von der Werbung sind die Passagiere. Die halbtransparenten Lochfolien auf den Fenstern lösen bei einigen sogar Schwindelgefühle aus. «Verklebte Scheiben sind nicht kundenfreundlich», nervt sich Bea Heim (70), Präsidentin der IGöV und SP-Nationalrätin. Sie fordert klipp und klar: «Das eingenommene Geld muss zwingend den Passagieren zugutekommen. Wenn schon Werbung, dann dürfen die Billettpreise nicht mehr so stark steigen.»

Thomas Meier von den VBZ versichert: «Das Geld aus der Verkehrsmittelwerbung kommt der Zürcher Bevölkerung zugute.» Damit die Werbung nicht zu aufdringlich wird, haben sich ÖV-Unternehmen sogar Regeln auferlegt. In Basel darf zum Beispiel nur zehn Prozent der Flotte mit Aussenwerbung beklebt sein.

Trotzdem ist klar, wohin die Reise geht: mehr Einnahmen durch mehr Werbung. Der Rubel rollt.

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