Hypo-Schock
Immobilien-Besitzern drohen massiv höhere Zinsen

Die Finanzaufsicht fürchtet eine Immobilienblase. Sie plant deshalb eine drastische Massnahme: Wer Wohneigentum kauft, soll seine Hypothek viel schneller zurückzahlen.
Publiziert: 06.04.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:51 Uhr
Das eigene Häuschen im Grünen: Wird es für viele bald unerschwinglich?
Foto: Moritz Hager
Von Carmen Schirm-Gasser

Kurz vor Weihnachten 2013 liess die Finanzmarktaufsicht (Finma) die Bombe platzen. Die Behörde hatte die Schweizerische Bankiervereinigung zu einem Treffen geladen. Thema: weitere Massnahmen gegen die Überhitzung im Immobilienmarkt.

Schon im Vorfeld hatte die Finma klargestellt, dass sie die Spielregeln verschärfen will. Die Hypothekarverschuldung in der Schweiz entspricht fast 150 Prozent des Bruttoinlandprodukts – das sei eindeutig zu viel.

Die Banken waren also gewarnt. Was ihnen Michael Schoch, Leiter Bankenaufsicht bei der Finma, und Nationalbank-Vertreter Robert Bichsel aber kurz vor den Festtagen präsentierten, übertraf indes ihre schlimmsten Befürchtungen.

Kernpunkt sind Massnahmen für private Hypothekarnehmer – also praktisch alle, die sich ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollen oder diese schon besitzen. Die Finma will sie dazu zwingen, die Kredite schneller zurückzuzahlen.

Konkret: In Tiefzinsphasen wie heute sollen sie nicht mehr mit dem normalen Zins auf ihrem Hypokredit davonkommen. Neu sollen sie jenen Zins zahlen, mit dem die Banken intern in ihren Sicherheitsmodellen rechnen. Dieser kalkulatorische Zins liegt bei rund fünf Prozent und ist damit mindestens doppelt so hoch wie der Hypothekarzins. Der Aufpreis zum Marktzins soll zur Rückzahlung der Hypothek verwendet werden.

Der Vorschlag liess die Bankenvertreter erblassen. Die Regelung würde alle bisherigen Anstrengungen der Behörden zur Marktberuhigung um Längen übertreffen.

Betroffen wären nach derzeitigem Stand der Planung all jene, die ein Eigenheim kaufen oder eine Hypothek erneuern wollen und deren Belehnung über 67 Prozent liegt. Das ist die überwiegende Mehrheit aller Eigenheimbesitzer.

Die Regelung könnte laut In­sidern aber auf alle Hypothekarnehmer ausgedehnt werden – unabhängig von ihrer Belehnungsgrenze.

Welche Variante die Finma auch wählen wird, klar ist: Die Belastung für Käufer und Besitzer von Wohneigentum steigt massiv. Bei einer Hypothek von 800000 steigen die Kosten um mehr als 10000 Franken pro Jahr (siehe Rechenbeispiel links). Für viele Familien würde Wohneigentum damit wohl unerschwinglich.

Volkswirtschaftlich gesehen sei es zwar sinnvoll, wenn Schulden zurückbezahlt würden, sagt Donato Scognamiglio, Professor an der Universität Bern und Geschäftsführer des Immobilien-Beratungs­unternehmens IAZI in Zürich. «Die Finma-Regelung würde aber zu einer Zwangsamortisation führen, die sich viele Immobilien­käufer gar nicht leisten können.»

Nach seinen Berechnungen würden die Hypothekarkosten um rund eine halbe Milliarde Franken steigen. Das würde den Konsum schwächen – und könnte eine Abwärts­spirale in Gang setzen. «Eine der­artige Regelung könnte sinkende Immobilienpreise einläuten. Bedenkt man weiter, dass wegen der Einwanderungs-Initiative künftig wohl weniger Ausländer in die Schweiz kommen und Immobilien kaufen, könnte die Zwangsamortisation einen Preissturz auslösen», sagt Scognamiglio. Damit würde die Behörde genau das Gegenteil erreichen, was sie eigentlich will.

Die Banken fürchten, dass ihre Erträge noch stärker unter Druck kommen. Durch die neuen Vorschriften würde das Hypothekargeschäft zu einem Kartell, sagt ein Banker, der anynom bleiben will. Die Institute könnten sich kaum mehr voneinander abheben.

Auf den Finma-Vorschlag traten die Banken nicht ein. «Wir sind nicht bereit, unter Druck unsere Regeln anzupassen», sagt Claude-Alain Margelisch, Direktor der Bankiervereinigung. Die Finma habe verlangt, dass ihr Vorschlag von den Banken als «Selbstregulierung» übernommen werde. «Das ist ein Widerspruch in sich», sagt er. «Wir waren nur Statisten, die nichts mitzureden hatten», sagt ein anderer Banker.

Vergangene Woche sind die Verhandlungen definitiv gescheitert. Seither herrscht Eiszeit.

Die Finma hält an ihrer Lösung fest. Die Zwangsamortisation soll eingeführt werden – mit oder ohne Bankiers. Gegen aussen gibt sich die Behörde zurückhaltend «Das Finanzdepartement, die Nationalbank und die Finma halten weitere Massnahmen für notwendig», sagt ein Sprecher.

In den letzten Jahren haben die Behörden die Zügel bereits angezogen. So müssen Hausbesitzer innert 20 Jahren mindestens einen Drittel der Hypothek zurückzahlen. Zudem wurden die Eigenmittelanforderungen für Kreditnehmer und Banken verschärft.

Der Ball liegt nun beim Finanzministerium. Die Finma hofft, dass Departementsvorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf ihren Vorschlag aufnimmt und eine entsprechende Verordnung erlässt. Sollte dies nicht passieren, könnte die Finma die Regelung per Rundschreiben für obligatorisch erklären.

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