Hat Spar etwas zu verbergen? Seit gut einem Jahr hat der Detailhändler mit Sitz in St. Gallen-Winkeln einen neuen Chef. Öffentlich gemacht wurde die Personalie nie.
«Ich stehe ungern auf der Bühne», sagt Hans Beer (48), Chef der Spar-Gruppe. Eine überraschende Antwort für einen CEO, dessen Unternehmen 2014 mit 347 Läden und dem TopCC-Grosshandel fast 1,1 Milliarden Franken umsetzte.
Dabei ist Beer keine unauffällige Erscheinung, wie BLICK beim Treffen im Esslinger Spar-Laden feststellen musste. Der Bündner ist ein Bär von einem Mann, braungebrannt und stilvoll gekleidet.
Hemd und Anzug habe er beim neuen Arbeitgeber seiner Frau gekauft, erzählt Beer. Die frühere Globus-Chefin Manuela Beer (45) führt seit Februar 2015 die Geschäfte von PKZ Burger-Kehl, einem der grössten Modehäuser der Schweiz. «Kennengelernt haben wir uns in der Schule vor 24 Jahren», erzählt Beer. Beim Ökonomie-Studium an der HSG St. Gallen. Sie beide seien bescheidene Menschen: «Wir fallen lieber mit Leistung als durch grosse Ankündigungen auf.»
So gesehen ist Beer bei Spar am richtigen Ort. Zwar kennt fast jeder die Marke. Doch wissen die wenigsten, wofür sie steht. Das bekommt der frühere Lindt & Sprüngli-Manager auch im Bekanntenkreis immer wieder zu hören. «Im Gegensatz zu anderen ist unsere Positionierung noch offen», sagt Beer.
Dabei verkauft die Schweizer Unternehmerfamilie Leuthold seit 1989 unter Lizenz des holländischen Mutterkonzerns Lebensmittel. Was wenige wissen: Die Läden heissen nicht etwa Spar, weil sie besonders günstig sind, sondern weil Spar das holländische Wort für Tanne ist.
«Als Betreiber von Nachbarschaftsläden soll der jeweilige Filialleiter dem Kunden ein Gesicht bieten und zur Positionierung beitragen», sagt Beer. Darum sei man an jedem Standort anders, manchmal auch sehr multikulti unterwegs. Beer berichtet vom Spar in Davos GR. Jeweils im Sommer gibts dort ein ganzes Sortiment koscherer Produkte: «Weil die jüdische Gemeinde ihre Ferien im Bergdorf verbringt.»
Oder die Spar-Läden an der Zürcher Goldküste und in Tourismusorten. Sie verkaufen Original-Kaffeekapseln von Nespresso, obwohl die Nestlé-Tochter den Verkauf über Detailhändler untersagt. «Den Verkauf von Nespresso-Kapseln verstehe ich unter Dienst am Kunden. Ein bisschen frech dürfen unsere Franchise-Partner sein», sagt Beer augenzwinkernd.
Ist das der neue Stil der behäbig wirkenden Ladenkette? Sorgt seine Frau jetzt für mehr Pepp? «Natürlich hören wir uns gegenseitig gut zu und sprechen miteinander auch übers Geschäft. Manuela ist mein Sparringpartner», witzelt er.
Wenig anfangen kann der Vater einer 15-jährigen Tochter «mit dem digitalen Aktivismus», den die Mitbewerber derzeit an den Tag legen. Unbediente Kassenautomaten wie bei Migros und Coop kann er sich im Spar nicht vorstellen. «Ich würde nie Selfscanning machen. Da bin ich grausam altmodisch», sagt Beer. Und bei der aufkommenden Handybezahlung an der Kasse will er zuerst schauen, ob es bei den anderen klappt.
Auch ein Online-Shop mit Heimlieferdienst steht beim Spar-Chef nicht auf der Prioritätenliste. «Das sollen andere machen. Unsere Filialleiter selber bringen manchmal die Ware auf Wunsch nach Hause», sagt Beer nur.
Ob seine Strategie tatsächlich aufgeht? Letztes Jahr musste Beer zwei Filialen schliessen, die Einnahmen stiegen aber trotzdem (siehe Box).
Einen Wachstumsschub erwartet Beer im zweiten Halbjahr durch die Eröffnung neuer Filialen und den «Schellenursli»-Film, der am 15. Oktober in die Kinos kommt. Spar hat die Lizenz für eine gleichnamige Produktlinie erworben.
25 Schellenursli-Produkte aus der regionalen Landwirtschaft zählt Spar, 20 weitere folgen demnächst. Das dürfte kein Zufall sein: Beer ist in der Schellenursli-Region Engadin aufgewachsen, hat also einen besonderen Bezug zu lokalen Produkten. Von seinem Wohnort am Zürichsee zieht es Hans Beer darum immer wieder ins Oberengadin.