BLICK-Gastro-Experte über die Gastroszene Schweiz
Beiz ohne Reiz

Das Aus für Sternekoch Bumann sagt viel über den Zustand der Spitzengastronomie aus. Wie steht es um die Alltags-Restaurants?
Publiziert: 18.08.2016 um 20:18 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 09:50 Uhr
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Sieht man immer seltener: Eine Gaststube, wie sie leibt, speist und lebt.
Foto: KEYSTONE

Die Beiz an der Ecke. Jeder kennt sie. Kaum einer geht hin. Wo sich früher das Quartier traf – im Rössli, im Schäfli, im Bären –, wo die Bankangestellten von vis-à-vis das «Menu 2» bestellten, sich die Frauen des Dorfs zum Café crème einen Nussgipfel gönnten und der Jassteppich den ganzen Tag auf dem Stammtisch lag: Gähnende Leere heute. Vereinzelt sitzen noch ältere Männer hinter einer Stange.

In der Gastroszene Schweiz herrscht Endzeit-Stimmung. Die alte Kundschaft bricht weg, neue kommt kaum. Was ist los?

Drei Generationen Doppelverdiener, Fernsehkonsumenten und die Freizeitgesellschaft haben geschafft, was niemand für möglich hielt. Unsere Ernährungsgewohnheiten haben sich grundlegend verändert. Das gemeinsame Essen am Familientisch ist die Ausnahme. Kochen ist heute das, was der Fernsehkoch in vier Minuten hinzaubert und was niemand nachkochen kann. Ernährung ist nicht mehr Lebenszweck, sondern allenfalls Hobby. Kein Wunder, sind die Ausgaben für Nahrung, gemessen an den Lebenshaltungskosten, auf lachhafte Anteile gesunken.

Zum Frühstück gibt es für Otto Normalverbraucher überzuckerte Knusperflocken mit Sojamilch (man ist schliesslich lactoseintolerant), zum Mittagessen das billigste Angebot in einer Filiale der lokalen Gastrokette.

Kommt der Feierabend, trifft man sich nach der Fleischbeschau im Fitness-Studio in der Stamm-Lounge zum Spritz oder späten Espresso. Eine Stammbeiz – wozu denn?

Wie reagieren die Wirte auf die veränderten Ess- und Lebensgewohnheiten? Sie spüren den ökonomischen Druck und agieren nach der Devise «Für den Gast ist nur das Billigste gut ­genug!». Sie arbeiten deshalb mit Convenience-Food, mit Billigst-Angeboten und Minimal-Personal. Was von der Grossindustrie in Plastiksäcken günstig, gekühlt oder gefroren angeliefert wird, schmeckt aufgewärmt muffig-süsslich. Dafür schlägt «das kleine Mineral» mit sechs Franken zu Buche.

Aber es gibt zum Glück auch Alltags-Betriebe, die ihr Heil in Qualität suchen. Als Beispiel dient der Löwen in Walenstadt SG. Hier serviert Stefan Rehli ein einziges Mittagsmenü. Für 22.50 Fr. bringt er eine kräftige Fleischsuppe mit viel Fleischeinlage auf den Tisch. Danach wird ein selbst gerüsteter Salat mit einer echt hausgemachten Sauce aufgetragen. Rindfleisch an Rotweinsauce neben einem Berg von selbst gemachten Spätzli beenden das Mahl.

Der Koch sagt: «Es läuft wie gestört!» Zu seiner eigenen Freude kocht er jeden Abend für die etwas betuchteren Gäste ein Fünf-Gang-Menü. Das Haus ist oft ausverkauft. Mit Gästen, die nach dem ersten Mittag­essen im Löwen «Lust auf mehr Rehli» bekamen.

Was uns die Erkenntnis bringt: Es hat mit Sicherheit zu viele Restaurants in unserem Land. Dummerweise gibt es ­darunter auch besonders viele mittelmässig, sogar unterdurchschnittlich geführte Betriebe. Mit Sicherheit geht es vielen auch nicht besonders rosig.

Aber: Mit konsequenter Qualität lässt sich eine konsumbewusste, konsumfreundliche und treue Kundschaft erarbeiten. Was es dazu braucht? Handwerkliches Können, viel Geduld, etwas Kompromissbereitschaft, Durchhaltevermögen und noch mehr Zeit. So gehts.

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