Er ist Wirtschaftshistoriker, war in jungen Jahren Stabsmitarbeiter beim Bankverein, schliesslich 18 Jahre lang Chefanalyst bei der Staatsbank Zürcher Kantonalbank (ZKB). Nach drei Jahrzehnten im Bankenbusiness wurde Marco Curti vor einem halben Jahr mit 62 pensioniert.
Nun meldet er sich zurück mit einem eigenwilligen Vorschlag: Der Ex-Banker will den Franken abschaffen und die Schweiz zum Euro-Land machen. Was ist in diesen Ex-Banker gefahren, dass er die eigene Währung abschaffen will, die zur Schweiz gehört wie das Bundeshaus? Eine Valuta, die einen eigenständigen Schweizer Bankenplatz erst möglich gemacht hat, von dem auch ein Marco Curti zeitlebens gut gelebt hat?
«Ich war immer Banker», sagt Marco Curti, «und wollte das Beste für meine Kunden erreichen.» Trotzdem: Sein achtseitiges Papier «Der wirtschaftliche Alleingang der Schweiz in die Sackgasse», welches die Substitution des Frankens durch den Euro postuliert, ist ein wenig durchdachtes Pamphlet über eine Grundsatzfrage mit weitreichenden Folgen für unser Land. Erschienen ist es mit Absender des «Club Hélvetique», einem elitären Debattierclub, der sonst fernab der Öffentlichkeit agiert – aufgenommen in die 30-köpfige Runde werden nur Handverlesene.
Dort sitzen Exponenten aus dem politisch-akademischen Milieu, kaum Personen, die im privatwirtschaftlichen Wettbewerb ihr Geld verdienen. Andreas Gross etwa, Profi-Politiker mit Einsitz im Europarat. Oder Kurt Imhof, Publizistikwissenschaftler, der jedes Mikrophon liebt. Oder auch Georg Kreis, hochdekorierter emeritierter Professor für Schweizer Geschichte.
Dass diese zweifellos gescheiten Herren sich nun mit dem für sie ungewohnten Feld von Währung und Ökonomie beschäftigen, verdanken sie eben diesem Marco Curti. Er sei erst seit einem Dreivierteljahr beim «Club Hélvetique», erzählt er. «Mir ging es darum, ein Positionspapier zum ökonomischen Aspekt eines EU- und Euro-Beitrittes zu verfassen, welches aufzeige, dass ein solcher Schritt der Schweiz für das Land nicht in Armut ende. Also schrieb er, und vorgestern katapultierte er das Resultat via «Schweiz am Sonntag» in die Öffentlichkeit.
Da ist dann die rhetorische Frage zu lesen: «Ist es Aufgabe der Schweiz, den internationalen Kapitalströmen einen sicheren Hafen zu bieten» – weil nämlich der harte Franken genau dazu verleitet? Die Antwort ist für den Ex-Banker Marco Curti klar: Nein, das muss die Schweiz nicht. Und er fordert daraus: «das ‹Undenkbare› zu denken, den EU- und Euro-Beitritt.»
Kurz gedacht ist das, vor allem für einen, der sein Leben in der Bank verbracht hat. Was das für den Finanzplatz des Landes bedeuten würde? Curti weiss keine Antworten. «Da haben Sie zum Teil recht», gibt er zu.
Was ein EU- und Euro-Beitritt beispielsweise für den im internationalen Vergleich tiefen Mehrwertsteuersatz der Schweiz bedeuten würde? Curti hat keine Ahnung und meint etwas kleinlaut: «Das ist sicher ein Punkt, den man anschauen müsste.»
Die tiefe Staatsquote der Schweiz kontert Marco Curti immerhin mit dem Hinweis, in Bayern, Baden-Württemberg oder Südtirol lägen die Werte ähnlich tief. Nur: von der volkswirtschaftlichen Potenz her liegen diese Regionen um Lichtjahre näher bei der Schweiz als am EU-Durchschnitt.
«Ich argumentiere hier zwar ökonomisch», meint er schliesslich leicht erschöpft, «aber in erster Linie als Staatsbürger.» Und vielleicht ist das exakt das Problem dieses Papiers.