Wer bei der Assura versichert ist, steht bei vielen Arztpraxen möglicherweise bald vor verschlossenen Türen. «Wir haben uns entschlossen, keine neuen Patienten von Assura mehr zu behandeln», erklärt Kurt Kaspar (62). Er ist Verwaltungsratspräsident von Argomed, einem Ärztenetzwerk, das rund 700 Ärzte vertritt.
Der Grund für den Boykott: «Die Assura profitiert als Trittbrettfahrerin von der Arbeit der Ärztenetzwerke, jedoch ohne sich finanziell zu beteiligen. Mit anderen Krankenkassen haben wir Verträge ausgehandelt», sagt Kaspar.
Das heisst, die Kassen zahlen den Ärzten Geld. Sie beteiligen sich laut Kaspar an Kosten beispielsweise für die Administration bei Überweisungen an Spezialisten. «Dafür können sie den Patienten ein günstigeres Hausarztmodell anbieten.»
Die Assura biete solche Modelle an, jedoch ohne Gegenleistungen. «Wir tolerieren das Verhalten der Assura nicht. Unsere Ärzte füllen per sofort keine Überweisungsschreiben für die Assura mehr aus.» Das Netzwerk verschickte Briefe an die Ärzte mit Aushängen für die Praxen und informierte die Patienten.
Damit zieht Argomed mit den Medix-Netzwerken in Bern und Zürich gleich. Diese boykottieren die Assura seit 2011 aus den gleichen Gründen. «Die Versicherten sind oft verärgert», erklärt Medix-Präsident Felix Huber (56).
«Aber die Assura reagiert nicht. Deshalb nehmen wir weiterhin keine neuen Assura-Patienten auf.» Er fordert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf, der Assura «die Lizenz zu entziehen».
«Verständnis für Vorgehen der Ärzte»
Rückendeckung erhalten die Netzwerk-Ärzte von ihrem Dachverband Med-swiss.net. Die Assura würde das Ärztemodell «hintertreiben und missbrauchen», ohne sich zu beteiligen.
Sogar der Krankenkassenverband gibt grünes Licht. «Wir haben Verständnis für das Vorgehen der Ärzte. Die Assura profitiert von etwas, woran sie sich nicht beteiligt. Das ist unfair gegenüber den anderen Kassen», sagt Paul Rhyn von Santésuisse.
Die Assura kontert die Vorwürfe scharf. «Ich finde das eine ethisch sehr fragwürdige Einstellung von den Ärzten, Patienten aufgrund ihrer Versicherungszugehörigkeit nicht zu behandeln», klagt Assura-Direktor Fredi Bacchetto (56).
Zusätzlich zahlen will er den Ärzten aber nichts. «Wir können unseren Versicherten kein günstigeres Hausarztmodell anbieten, wenn wir zusätzliche Beiträge für die gleichen Versicherten an die Netzwerke zahlen müssen.»
Am Freitag drohte Bacchetto den Argomed-Ärzten schriftlich rechtliche Schritte wegen Rufschädigung an. Das Vorgehen grenze an «Nötigung und Erpressung». Laut Bundesamt für Gesundheit handeln die Ärzte legal. Sie dürfen Patien-ten ausser in Notfällen abweisen.