850 Mio weg, 200 Jobs futsch, 80 Betriebe zu
Garagisten pfeifen aus dem letzten Auspuff

Die Schweizer Autobranche bläst trotz Rekordverkäufen Trübsal. Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses mussten die Händler die Preise bis zu 20 Prozent senken und verloren so insgesamt 850 Millionen Franken Umsatz.
Publiziert: 06.08.2015 um 04:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:46 Uhr
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«Wir kämpfen und müssen die Preise radikal senken.» Carmine Langone, Geschäftsführer Auto Schiess.
Foto: Christian Lanz
Von Philipp Albrecht

Seit 16 Jahren wurden in einem Juli nicht mehr so viele neue Autos zugelassen wie im Juli 2015. Doch statt die Korken knallen zu lassen, bläst die Schweizer Autobranche Trübsal. Obwohl sie Monat für Monat Verkaufsrekorde knacken, verdienen Importeure, Händler und Garagisten so gut wie nichts mehr.

«Wenn man die Neuzulassungen anschaut, sieht es wunderbar aus, doch im Hintergrund ist die Situation ganz anders», sagt Diego Battiston (50), Chef von Hyundai Schweiz. «Die Gewinnmargen sind in der ganzen Branche gesunken. Es leiden alle.»

Wie kann das sein? Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar schraubten alle Importeure die Preise runter. Sie mussten, weil es sich sonst für die Kunden plötzlich gelohnt hätte, Autos im Ausland einzukaufen. Mit Rabatten bis 20 Prozent verhinderten die Händler zwar, dass ihre Kunden ennet der Grenze untreu wurden, doch gleichzeitig verlor ihre Ware auf einen Schlag ein Fünftel an Wert.

Der Branchenverband Auto-Schweiz schätzt, dass sich 850 Millionen Franken Umsatz in Luft auflösten.

Seit einem halben Jahr können sich Autoverkäufer ihre Gewinnmargen ans Bein streichen. Jetzt zehren sie von den Reserven, stoppen Investitionen, reduzieren das Marketing und bauen Jobs ab. Laut Auto-Schweiz verschwanden bei den Importeuren bis heute 200 Arbeitsplätze.

Am stärksten leiden aber die kleinen Garagen. Die meisten sind gleichzeitig Vertreter und leiden darum doppelt: Die Importeure geben ihnen nicht nur die Preissenkungen durch, sondern diktieren auch noch unnötige Auflagen. «Uns wird regelmässig vorgegeben, wie der Showroom neu gestaltet werden muss», klagt René Degen (59) von der Gorenmatt-Garage in Binningen BL. «Das sind hohe Investitionen, die wir nun nicht mehr tragen können.»

Schon 80 Kleingaragen mussten seit Januar dichtmachen, wie der Autogewerbeverband (AGVS) nachgezählt hat.

Degen, seit 32 Jahren Nissan-Händler mit sieben Angestellten, sieht schwarz: «Wir spüren langsam, dass der Verkauf harzt. Nach dem Frankenschock haben viele zugeschlagen und den Autokauf vorverschoben. Aber das ist jetzt vorbei.» Bislang musste er keinem Angestellten kündigen. «Ich hoffe einfach, dass meine Kunden nicht irgendwann auf die Idee kommen, ihr Auto in Deutschland reparieren zu lassen.»

Bei den Occasionshändlern sieht es nicht besser aus. «Wir kämpfen und müssen die Preise radikal senken», sagt Carmine Langone (49), Geschäftsführer von Auto Schiess in Volketswil ZH.

Die Hälfte seines 700 Autos starken Angebots sind Gebrauchtwagen. Zwar kauft er diese in der Schweiz ein, doch auch sie haben durch den Frankenschock 15 Prozent an Wert verloren. Nach den Ferien will Langone «aufräumen», wie er sagt. «Wir haben die Preise bereits um 20 Prozent gesenkt und gehen nochmals in der gleichen Grössenordnung runter.»

Es bleibt ihm nichts anderes übrig. Er muss die Fahrzeuge jetzt loswerden, selbst wenn er am Ende noch draufzahlt.

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