Sturzfluten, sintflutartige Regenfälle, Hagel
So überrollte das Rekord-Gewitter die Schweiz

Feuerwehren hatten wegen des Unwetters in der Nacht auf Freitag alle Hände voll zu tun und mussten Tausende Einsätze durchführen. Die Schäden sind enorm. Meteorologen sprechen von «Niederschlägen in Rekordmengen».
Publiziert: 03.05.2013 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2018 um 13:15 Uhr

Starke Gewitter haben in der Nacht auf Freitag zu grossen Niederschlagsmengen und teils enormen Schäden geführt. Am meisten Regen fiel gemäss MeteoNews mit 54 Millimetern in Ebnat-Kappel (SG) gefolgt von Schaffhausen (53 mm) und Zürich Oerlikon (52 mm; siehe auch Kasten). Die Aufzeichnungen des Regen-Radars zeigen, wie rasch das Unwetter über die Schweiz rollte (siehe Video).

Laut dem Wetterdienst MeteoSchweiz kam es in Schaffhausen sogar zum höchsten sogenannten 10-Minuten-Niederschlag seit dem automatischem Messbeginn 1981.

Innerhalb von zehn Minuten ergossen sich 32,8 Liter pro Quadratmeter in die Munotstadt. Die Schaffhauser wurden Zeugen eines sehr seltenen Ereignisses: «Was Schaffhausen erlebt hat, gibt es alle 50 bis 100 Jahre einmal», sagte MeteoSchweiz-Klimatologe Stephan Bader.

«So etwas habe ich noch nie gesehen», sagt auch Herbert Distel, Kommandant der Feuerwehr Stadt Schaffhausen. Seine Leute mussten in der Nacht über 70 Mal ausrücken. Auf dem gesamten Kantonsgebiet standen 300 Feuerwehrleute von 14 Feuerwehren im Einsatz. Auch der Zivilschutz wurde mittlerweile aufgeboten.

Einstellhalle überflutet

In der Munotstadt wurden zahlreiche Keller, Strassen und Unterführungen überflutet. «Wir pumpten wie verrückt», sagt Distel. Schwer erwischt hatte es eine Einstellhalle des lokalen Werkhofs: Dort wurden diverse Fahrzeuge und weitläufige Kellerräume mit EDV-Anlagen überflutet.

Drei Pumpen mit einer Leistung von 4000 Litern pro Minute hat die Feuerwehr eingesetzt - und die Arbeit dauert noch weiter an.

Tragische Szenen spielten sich im kantonalen Tierheim ab: Neun Hunde, elf Katzen und 20 Kleintiere ertranken in den Fluten.

Bäche traten über die Ufer

Die Feuerwehren im Kanton St. Gallen mussten rund 20 Mal ausrücken. Ganze sieben Schadenmeldungen betrafen allein das vom Unwetter schwer betroffene Ebnat-Kappel.

«Dort traten gleich zwei Bäche über die Ufer», schreibt Gian Andrea Rezzoli, Sprecher der Kantonspolizei St.Gallen, in einer Medienmitteilung. «Sie schwemmten Steine, Geröll und Holz mit sich.» Es sei zu  Wasserstauungen und überfluteten Kellern gekommen.

Bei der Notrufzentrale des Kantons Thurgau gingen zwischen 19 Uhr und 20.30 Uhr gegen 40 Anrufe ein, heisst es in einem Communiqué. In Basadingen und Schlatt mussten die Feuerwehren Keller und Garagen auspumpen. In der Stadt Frauenfeld wurden Schachtdeckel von den Wassermassen weggespült. Verletzt wurde niemand.

Über 1000 Notrufe im Kanton Zürich

Im Dauereinsatz standen auch die Rettungskräfte im Kanton Zürich. Bei der Einsatzleitung von Schutz & Rettung gingen fast 1500 Feuerwehr-Notrufe ein.

Im gesamten Kantonsgebiet wurden gemäss einer Mitteilung 598 Einsätze disponiert. Rund 250 davon entfielen auf die Stadt Zürich. Nebst der Stadt waren auch das Zürcher Oberland sowie die Region Männedorf/Meilen stark betroffen.

Der starke Regen hat hauptsächlich Keller, Unterführungen und Strassen überflutet. In der Stadt Zürich sind aufgrund der Wassermassen zudem Heizöltanks umgekippt. Wegen dem ausgelaufenen Öl wurde in der Limmat eine Ölsperre errichtet.

Die Ölsperre habe jedoch nicht ins Wasser gesetzt werden müssen, da bislang keine Schadstoffrückstände im Wasser festgestellt werden konnten, heisst es in der Mitteilung.

Trinkwasser verschmutzt

Im Kanton Aargau hat das Unwetter ein Menschenleben gefordert: Eine 32-jährige Frau ist in Sulz von einem Bach mitgerissen worden - sie ertrank in den Fluten.

Die Feuerwehr musste in der Nacht insgesamt über 150 Mal ausrücken, weil Keller, Garagen und Strassen überflutet wurden. Zudem sind auch einige Autos in den Wassermassen steckengeblieben.

Mehrere Strassen mussten für einige Zeit gesperrt werden. Sie seien aber inzwischen wieder frei. Hauptachsen waren nicht betroffen.

In Tägerig wurde durch die Starken Niederschläge das Trinkwasser verschmutzt, weil Dreckwasser in ein Reservoir gelaufen war. Das Wasser dürfe keinesfalls getrunken werden, warnte die Gemeinde und verteilte an Flugblatt an alle Haushalte.

Die Feuerwehr und das Bauamt sind derzeit daran, das Reservoir und das gesamte Wassernetz zu reinigen. Die Gemeinde Tägerig rechnet damit, dass das Trinkwasser erst wieder Anfang nächster Woche konsumiert werden kann.

Blitz verursacht Brand

In Brunnen SZ hat gestern um 20 Uhr ein Blitz in den Mast einer Flutlichtanlage beim Fussballplatz eingeschlagen. Dadurch kam es in einem Kabelkasten im Clubhaus zu einem Elektrobrand.

Die Feuerwehr Ingenbohl-Brunnen rückte mit 30 Einsatzkräften aus und konnte den Kleinbrand sofort löschen, wie die Kantonspolizei Schwyz mitteilte.

«Wie eine Bombe»

Bereits am Donnerstag Nachmittag kam es auch im Kanton Bern zu starken Unwettern. Hagelzüge deckten die Gemeinden rund um Thun innert Minuten mit fast golfballgrossen Eiskörnern ein.

Und ein Leserreporter aus dem Emmental berichtete: «Hier sieht es aus, wie wenn eine Bombe eingeschlagen hätte.»

Weitere Niederschläge erwartet

MeteoNews erwartete für Freitag nochmals grosse Regenmengen - jedoch mit weniger «Unwetterpotential, weniger Blitzaktivität und weniger Hagel», wie es auf der Facebookseite des Wetterdienstes heisst.

Ganz auszuschliessen seien lokal begrenzte Unwetter aber nicht. (bau/SDA)

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