Rausschmiss nach vier Jahrzehnten
Vermieter setzt Grosi Rosa (96) auf die Strasse

Rosa Arnold (96) wurde die Wohnung gekündigt. Der Grund dafür: Der Vermieter wollte mehr Geld für die 3,5-Zimmer der alten Dame.
Publiziert: 19.04.2017 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:17 Uhr
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Rosa Arnold lebt jetzt in einer Alterssiedlung in Leimbach.
Foto: Siggi Bucher
Lea Gnos

Rosa Arnold (96) schüttelt immer wieder den Kopf. Nach 39 Jahren und acht Monaten hat ihr der Vermieter die 3½-Zimmer-Wohnung gekündigt. Die neunfache Urgossmutter macht der Rausschmiss fassungslos: «Er wollte mehr Rendite. Darum hat er mich auf die Strasse gesetzt.»

Im eingeschriebenen Kündigungsschreiben hiess es dazu nüchtern:«Kündigung zwecks Vermietung an Drittperson zu einem höheren, marktüblichen Mietzins.» 

Per Ende März musste die alte Dame umziehen

Per Ende März musste Rosa Arnold nun aus der Wohnung an der Zürcher Wehntalerstrasse. Neue Heimat: eine Altersliegenschaft in Zürich-Leimbach. Eine 1-Zimmer-Wohnung. Nur die nötigsten Möbel konnte sie mitnehmen. Die ältere Dame erinnert sich, als der Rausschmiss nicht mehr abzuwenden ist: «Ich erlitt einen Herzinfarkt, so fest habe ich mich aufgeregt.» Als Grund für die Kündigung sieht die Rentnerin nicht nur die Rendite, sondern auch ihr Sinn für Gerechtigkeit.

In einem gebundenen Mäppchen hält die ehemalige Direktionssekretärin der UBS die über Jahre gehenden Auseinandersetzungen fest. Schon in der Vergangenheit machte die Rentnerin die Vermietung immer wieder darauf aufmerksam, dass sie Hypothekar- und Referenzzinssenkungen an die Mieter weitergeben müsse.

«Die Mieter sind leider oft zu bequem und wagen es nicht, gegen die Vermieter vorzugehen. So werden Mieten klammheimlich erhöht, bis sich die Wohnungen niemand mehr leisten kann», weiss die 96-Jährige.

Rosa Arnold ist schon immer eine Kämpfernatur: «Ich war als alleinstehende Frau und Mutter nie auf Rosen gebettet.» Die verstorbene Mutter ihres Vermieters schrieb der unbequemen Mieterin einst sogar: «Von allen unseren Mietern sind Sie die einzige, die ein Herabsetzungsbegehren fordert. Ich kann selten eine Nacht durchschlafen, ohne dass mir Frau Arnold im Traum vorkommt.»

1074 Franken für 3½-Zimmer-Wohnung in Zürich – bis zum Schluss 

1074 Franken zahlte Rosa Arnold zum Schluss monatlich für die Wohnung. «Ich wäre auch bereit gewesen, mehr zu zahlen», sagt sie. Dennoch erhält sie 2013 die Kündigung. Der Sohn der verstorbenen Vermieterin ist mittlerweile mit der Liegenschaft betraut. 

Furchtlos schöpft Rosa Arnold alle juristischen Mittel aus: «Er erschien vor der Schlichtungsbehörde mit zwei Anwälten. Er muss schreckliche Angst vor mir gehabt haben.» Ein kleiner Teilerfolg: «Meine Tochter hatte immerhin eine Fristerstreckung bis März 2017 für mich erreicht.»

Rosa Arnold muss sich an die neue Umgebung erst noch gewöhnen. Sie blickt vom Balkon in Leimbach in Richtung ihres alten Zuhauses: «69 Jahre habe ich im Quartier an der Wehntalerstrasse gelebt, Kinder grossgezogen. Das war dem Vermieter egal!» 

Der Vermieter war für BLICK nicht erreichbar. Die zuständige Verwaltung wollte zum Fall keine Stellung nehmen. 

Wie Sie sich wehren können

Die Schweizer sind ein Volk von Mietern. Nur eine Minderheit lebt hierzulande in den eigenen vier Wänden. Doch die Mieten belasten das Portemonnaie immer mehr. Sinkt der Referenz-Zinssatz, sollte in der Regel auch die Miete sinken. Nur die Praxis sieht oft anders aus. Martin Rindlisbacher, Mietrechtsexperte im Beratungszentrum des Beobachters: «Das geschieht nicht immer automatisch. Dann muss der Mieter tätig werden und beim Vermieter ein Senkungsbegehren stellen.»

Es gibt aber auch Ausnahmen: «Der Vermieter kann die Teuerung und die allgemeine Kostensteigerung mit dem Anspruch des Mieters verrechnen. Weiter kann er eine ungenügende Rendite geltend machen oder einwenden, dass die orts- oder quartierüblichen Mietzinse gegen eine Senkung sprechen. Die rechtlichen Hürden für den Vermieter sind aber hoch», so Rindlisbacher. Wenn der Vermieter eine Senkung des Referenz-Zinssatzes nicht weitergibt, kann der Mieter innert 30 Tagen an die zuständige Schlichtungsbehörde für Miet- und Pachtsachen gelangen.

Auch wenn der Vermieter zwecks Renditensteigerung mehr Geld will, kann man sich als Mieter wehren: Eine Kündigung zwecks Vermietung an eine Drittperson zu einem höheren, marktüblichen Mietzins könne aus wirtschaftlichen Gründen zwar rechtens sein, sagt Martin Rindlisbacher. «Wehrt sich der Mieter allerdings, so muss der Vermieter die Zulässigkeit des beabsichtigten Mietzinses auf den Franken genau nachweisen. Misslingt das, so riskiert der Vermieter eine dreijährige Kündigungssperre», sagt der Miet-Experte.

Weitere Infos zum Thema Mietrecht finden Sie auf Guider, dem digitalen Berater des Beobachters.

Die Schweizer sind ein Volk von Mietern. Nur eine Minderheit lebt hierzulande in den eigenen vier Wänden. Doch die Mieten belasten das Portemonnaie immer mehr. Sinkt der Referenz-Zinssatz, sollte in der Regel auch die Miete sinken. Nur die Praxis sieht oft anders aus. Martin Rindlisbacher, Mietrechtsexperte im Beratungszentrum des Beobachters: «Das geschieht nicht immer automatisch. Dann muss der Mieter tätig werden und beim Vermieter ein Senkungsbegehren stellen.»

Es gibt aber auch Ausnahmen: «Der Vermieter kann die Teuerung und die allgemeine Kostensteigerung mit dem Anspruch des Mieters verrechnen. Weiter kann er eine ungenügende Rendite geltend machen oder einwenden, dass die orts- oder quartierüblichen Mietzinse gegen eine Senkung sprechen. Die rechtlichen Hürden für den Vermieter sind aber hoch», so Rindlisbacher. Wenn der Vermieter eine Senkung des Referenz-Zinssatzes nicht weitergibt, kann der Mieter innert 30 Tagen an die zuständige Schlichtungsbehörde für Miet- und Pachtsachen gelangen.

Auch wenn der Vermieter zwecks Renditensteigerung mehr Geld will, kann man sich als Mieter wehren: Eine Kündigung zwecks Vermietung an eine Drittperson zu einem höheren, marktüblichen Mietzins könne aus wirtschaftlichen Gründen zwar rechtens sein, sagt Martin Rindlisbacher. «Wehrt sich der Mieter allerdings, so muss der Vermieter die Zulässigkeit des beabsichtigten Mietzinses auf den Franken genau nachweisen. Misslingt das, so riskiert der Vermieter eine dreijährige Kündigungssperre», sagt der Miet-Experte.

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