Polizisten-Prozess in Zürich
Kommen die Polizisten ungestraft davon?

Gestern mussten drei Polizeibeamte vor Gericht. Sie sollen am 19. Oktober 2009 einen dunkelhäutigen Mann bei der Verhaftung brutal niedergeknüppelt haben.
Publiziert: 22.11.2016 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 12:12 Uhr
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Wilson A. (43) kämpft seit sieben Jahren vor Gericht.
Foto: Keystone
Beat Michel

Die Polizistin und die beiden Polizisten auf der Anklagebank sehen nicht aus, als ob sie eine übertrieben brutale Festnahme durchführen würden. Sie wirken eher wie kaufmännische Angestellte in der Freizeit. Sie sind sportlich elegant gekleidet und machen einen ruhigen Eindruck.

Doch die Anklage gegen das Beamtentrio ist happig. Sie sollen den dunkelhäutigen Wilson A.* (43) während einer Personenkontrolle gewürgt, mit Pfefferspray besprüht, mit dem Polizeistock geschlagen und mit dem Knie auf dem Rücken zu Boden gedrückt haben. Und das, obwohl Wilson A. die Beamten informiert hatte, dass er vor kurzem am Herzen operiert und ihm ein Defibrillator implantiert worden war (BLICK berichtete).

Die Staatsanwältin fordert eine Verurteilung wegen leichter Körperverletzung und Amtsmissbrauch. Aber: Die Körperverletzung ist seit Oktober verjährt – und wird somit nicht bestraft.

Die Polizisten stellten den Vorfall auch gestern wieder als korrekte Festnahme dar. Wilson A. habe sich geweigert, seinen Ausweis zu zeigen. Da seien sie mit ihm aus dem Tram ausgestiegen. Der Mann sei immer aggressiver geworden. Als er die Jacke öffnete, habe der Polizist versucht, die Hände von A. unter Kontrolle zu bringen. Dann habe es ein Gerangel gegeben.

Wilson A. habe sich wie wild gewehrt. Sie setzten Pfefferspray ein, aber gewürgt oder hart zugeschlagen hätten sie nicht. Nach den Befragungen nahm der Prozess eine unerwartete Wendung: Der Anwalt von Wilson A. stellte in seinem Plädoyer den Antrag, die Anklage in der Form fallenzulassen und stattdessen die beschuldigten Polizisten der Gefährdung des Lebens anzuklagen.

Wie er in seinem Plädoyer ausführte, habe die Staatsanwältin während sieben Jahren immer wieder verhindert, dass überhaupt ein Gerichtsverfahren eröffnet werde. «Es brauchte zwei Bundesgerichtsentscheide und viel Durchhaltewillen, damit doch eine Anklage stattfindet», sagt Anwalt Bruno Steiner. «Am Schluss hat sie als letzten Trick aus der Gefährdung des Lebens eine einfache Körperverletzung gemacht.»

Die Anwälte der Polizisten stellten den Antrag, nicht darauf einzutreten. Schliesslich seien die Anklagepunkte seit Februar bekannt. Eine Änderung sei nicht angebracht. Bruno Steiner wiederum beschuldigte die Staatsanwältin. Sie sei damals gar nicht auf seinen Hinweis eingegangen.

Ob die Polizisten straffrei davonkommen oder sich wegen Gefährdung des Lebens verantworten müssen, entscheidet das Gericht in den kommenden Tagen. 

* Name der Redaktion bekannt

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