Der Entscheid des Zürcher Obergerichts schmeichelt Studenten: Vor kurzem ist es in einem Urteil zum Schluss gekommen, dass Hochschulabsolventen «überdurchschnittlich intelligent» seien.
Ein Kompliment, das einen Studenten der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) teuer zu stehen kommt. Denn unter anderem mit dieser Verallgemeinerung wurde der Richterspruch begründet, dem jungen Mann keinen amtlichen Verteidiger zu bewilligen.
Anwalt kritisiert Entscheid
Gegen den Studenten wird in einem Fall von Computerkriminalität ermittelt. Während des Strafverfahrens hatte der Beschuldigte Antrag auf amtliche Verteidigung gestellt. Doch die Oberstaatsanwaltschaft lehnte ab – woraufhin sich der Mann mit einer Beschwerde ans Obergericht gewandt hatte.
Für den Zürcher Anwalt Martin Steiger ist die Urteilsbegründung der zweiten Instanz nicht nachvollziehbar. «Nicht jeder Student ist überdurchschnittlich intelligent. Dies als Argument zu verwenden, ist stossend», meint er. «Schliesslich kann Intelligenz ganz verschieden definiert werden und sagt nichts darüber aus, ob jemand einem Strafverfahren gewachsen ist.»
Vom Staat bezahlt
Gemäss Strafprozessordnung ist ein Verteidiger nur in ausgewählten Fällen notwendig, beispielsweise wenn mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe droht. In allen anderen Fällen, auch bei demjenigen des Studenten, ist eine juristische Vertretung freiwillig. Hat jemand zu wenig Geld, um einen Anwalt nach Wunsch zu engagieren und weist der Fall «in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten» auf, hat er laut Gesetz das Recht auf einen amtlichen Verteidiger. Dieser wird nicht vom Beschuldigten, sondern durch den Staat bezahlt.
«Meiner Ansicht nach weist jeder Fall rechtliche Schwierigkeiten auf», sagt Steiger. «Selbst ich als Rechtsanwalt würde mich immer durch einen Anwalt vertreten lassen.»