Hoher Besuch an der Uni Zürich: Gestern Abend hielt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko im Hörsaal im Hauptgebäude der Universität eine Rede zur Lage seiner Nation und Europas.
Rund 1200 Zuhörer folgten laut «NZZ» der Einladung des Europa-Instituts. Die Rede wurde in drei weitere Säle übertragen. Ein Grossaufgebot an Polizisten sowie persönliche Bodyguards waren während des Anlasses um die Sicherheit des Präsidenten besorgt und in und um das Gebäude postiert.
Vor dem Anlass war es vor dem Uni-Gebäude zu einer Demonstration gekommen. Mehrere Dutzend Studenten und Ukraine-Kritiker hatten sich versammelt und hielten Transparente in die Höhe. «Schützt die Bevölkerung des Donbass vor der Aggression Kiews» oder «Die Kiewer Anti-Terror-Operation ist Terror gegen die eigenen Bürger» war auf ihnen zu lesen. Auf weiteren Plakaten prangte die Flagge der selbsternannten Volksrepublik Donezk.
Ukraine sei bereit für einen Dialog
Nach einer Eröffnungsrede durch Bundespräsident Didier Burkhalter wandte sich Poroschenko schliesslich ans Publikum, insbesondere an die Ukrainer unter ihnen. «Mein Land führt Krieg gegen den Terrorismus», sagte das ukrainische Staatsoberhaupt. Es kämpfe für europäische Werte wie Freiheit, Souveränität und Demokratie.
«Wir sind bereit für einen sofortigen politischen Dialog», betonte Poroschenko. Er plädiert für «freie und faire Wahlen» in der umkämpften Ostukraine. «Ich bin bereit, einen Dialog mit jedem zu führen, der von den Menschen im Donbass gewählt werden will – und nicht mit dem Maschinengewehr Menschen umbringt.»
Vier Bedingungen für Frieden
Zum im September in Minsk vereinbarten und seither längst zur Makulatur verkommenen Friedensplan sagte Poroschenko: Das Abkommen sei kein Frühstücksbuffet, bei dem sich jeder nach belieben bedienen könne. Alle zwölf Punkte müssten erfüllt werden – «das ist der einzige Weg, um die Situation zu entschärfen».
Konkret zählte Poroschenko vier Bedingungen für einen Frieden auf: einen kompletten Waffenstillstand, die Freilassung aller Gefangenen, die Schliesung der russischen Grenze und den Rückzug aller russischer Militärs.
Weiter bedankte sich Poroschenko bei Bundesrat Didier Burkhalter, der 2014 den Vorsitz der OSZE innehatte. Er habe «eine relevanten Beitrag zur Ermöglichung einer friedlichen Vereinbarung» geleistet. «Alle ukrainischen Bürger schätzen das.»
Poroschenko als Kinder-Mörder beschimpft
Während der Rede kam es mehrfach zu Zwischen- und Buhrufen von empörten Zuhörern und Tumulten zwischen Ukraine-freundlichem und -kritischem Publikum. Eine Frau beschimpfte Poroschenko: «Ich will nicht mit einem Kindsmörder in einem Raum sein». In den verschiedenen Hörsälen hielten pro-russische Demonstranten wiederum Plakate in die Höhe.
Poroschenko, der nach dem Anlass weiter ans WEF nach Davos reiste, reagierte souverän. Es bestehe das Recht, in Anwesenheit des ukrainischen Präsidenten seine Meinung zu äussern, sagte er im Anschluss auf eine lautstarke Unterbrechung. «In Russland haben Sie dieses Recht nicht.» (lha)