Familienanwältin Anne Reiser zur Tragödie von Flaach ZH
«Das ist ein Skandal»

Alessia (†2) und Nicolas (†5) kamen ins Heim statt zu den Grosseltern. Die renommierte Familienanwältin Anne Reiser ist «schockiert», sie fordert eine Klage gegen den Staat.
Publiziert: 05.01.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:38 Uhr
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Die Genfer Familienanwältin Anne Reiser.
Foto: Patrick Gilliéron Lopreno
Von Gabriela Battaglia und Romina Lenzlinger

Björn und Christine K.* wollten ihre Enkel Nicolas († 5) und Alessia († 2) bei sich aufnehmen. Doch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Winterthur-Andelfingen ignorierte ihren Herzenswunsch.

Nun sind die Kinder tot – ihre eigene Mutter Natalie K.* (27) brachte die beiden am Neujahrsabend um (BLICK berichtete).

Die Genfer Anwältin Anne Reiser ist Spezialistin für Familien- und Kindesrecht. «Ich bin schockiert. In der Schweiz haben Grosseltern keinerlei Rechte. Wir sind diesbezüglich komplett im Rückstand. Unsere Gesetze müssen dringend geändert werden.»

Ehepaar K. versuchte alles, um die Kinder ihrer Tochter zu sich zu nehmen. Natalie K. und ihr Mann waren wegen des Verdachts auf Vermögensdelikte festgenommen und die Kinder von der Kesb in ein Heim gebracht worden. Schon am Tag der Verhaftung boten die Gross­eltern an, die Enkel aufzunehmen.

«Wir müssen unbedingt das Zivilrecht und das Zivilprozessrecht anpassen», sagt Reiser. Grosseltern müssten bei solchen Platzierungsentscheiden einbezogen werden.

In Genf könnten Grosseltern theoretisch bei solchen Entscheiden der Kesb intervenieren. «Das ist aber von Richter zu Richter und von Kanton zu Kanton verschieden», sagt Reiser.

«Ich bin schockiert, dass Kinder einfach in einem Heim platziert werden, obwohl ihre Grosseltern sie aufnehmen wollen und auch können.

Die Grosseltern sollten gegen den Staat klagen

Das ist ein Skandal», so die Familienanwältin. «Die Grosseltern sollten nun unbedingt wegen unterlassener Hilfeleistung gegen den Staat klagen.»

Kritik äussert Reiser auch am fehlenden Pikettdienst der Kesb. Die Behörde war für die verzweifelte Familie über die Festtage schlecht erreichbar.

«Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb gerade über die Feiertage kein Pikettdienst eingerichtet wurde», sagt Reiser. «In dieser hochemotionalen Zeit herrscht bei Behörden, die mit Familien zu tun haben, regelmässig Hochbetrieb. Was ist das nur für ein Kanton?»

Jetzt schaltet sich auch die Politik ein: Die Zürcher SVP will, dass der Regierungsrat ein Verfahren gegen die Kesb Winterthur-Andelfingen einleitet. Es müsse geklärt werden, ob die Behörde noch handlungsfähig sei.

Die verantwortlichen Kesb-Mitarbeiter müssten sich «der strafrechtlich- und aufsichtsrechtlichen Verantwortung stellen», sagt SVP-Nationalrat Alfred Heer.

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