Tigerpython Bock (12) hat Auslauf. Seine Spielwiese: die Stube der Familie Gomez. Hund Miro (6) und Katze Jamy (2) kommen derweil hinter Schloss und Riegel. Aus Sicherheitsgründen. «Bock würde sie wahrscheinlich nicht fressen», sagt José Manuel Gomez (39). «Aber töten würde er die beiden bestimmt.» Zu dritt schleppt die Familie das 45 Kilo schwere Tigerpython-Männchen die Kellertreppe herauf. Er züngelt und windet sich bedrohlich.
In ihrem Reiheneinfamilienhäuschen in Tann ZH lebt Familie Gomez mit 61 Schlangen unter einem Dach. Ein spezielles Hobby. Bock teilt sich im Keller ein Terrarium mit einem 75 Kilo schweren Tigerpython-Weibchen. Die Stube ist für ihn Neuland. Entsprechend neugierig erkundet er die Umgebung. «Er riecht wohl die anderen Haustiere», sagt die kaufmännische Angestellte Sandra Gomez (38). Bock ist Menschen gewohnt. «Seit seiner Geburt nehmen wir ihn regelmässig aus dem Terrarium, er ist lieb», sagt Klärwerkmeister José Manuel Gomez. Trotzdem: Der Tigerpython könnte ohne weiteres einen Menschen verschlingen.
Einmal schnappte er tatsächlich nach seinem Herrchen, als der das Fenster im Terrarium schliessen wollte. «Da war er noch jung. Er biss mich in den Nacken. Es fühlte sich an wie ein Schlag und blutete.» Gomez konnte ihn abwehren und Bock liess zum Glück sofort los. Eine Erklärung für die Attacke: «An diesem Tag hatte ich Fieber», sagt José Manuel Gomez. «Schlangen nehmen ihre Beute wie mit einer Wärmebildkamera wahr.
Darum reagierte er wohl anders auf mich als sonst.» Aus Sicherheitsgründen gehen die Gomez’ nur zu zweit zu den Schlangen: «Wir haben eine Beziehung zu ihnen aufgebaut, aber sie bleiben wilde Tiere.» Tochter Samira (12) ist mit den Reptilien aufgewachsen, nimmt sie in den Arm wie andere Menschen Meerschweinchen. «Für mich ist das nichts Spezielles. Doch Papi verbringt wahnsinnig viel Zeit mit den Schlangen», erzählt sie.
Angefangen hat die Schlangenleidenschaft mit einer harmlosen Kornnatter. Heute leben noch eine Boa constrictor und 60 Pythons im Haus der Gomez’. Alle sind ungiftig. «Ich bin fasziniert von der Schönheit der Tiere und ihren individuellen Mustern», erzählt José Manuel Gomez, der die Schlangen auch züchtet. «Für die zwei Tigerpythons mussten wir eine Haltebewilligung beantragen und eine Versicherung abschliessen», sagt seine Frau. «Falls eine ausbüxt und etwas passiert.» Die Terrarien im ehemaligen Luftschutzkeller sind auf zwei Räume verteilt. «Das Tigerpython-Gehege hat Sicherheitsglas und eine Backsteinmauer», erzählt Sandra Gomez. «Es ist schön zu sehen, dass die Schlangen sich im Gehege wohlfühlen und sich fortpflanzen.
Das Weibchen legt nur einmal pro Jahr Eier. Daraus schlüpfen 50 bis 60 Schlangen. «Die geben wir an Züchter weiter», sagt José Manuel Gomez. Das Füttern ist nichts für schwache Nerven. Das Futter lebt und wartet in Käfigen auf sein letztes Stündlein. «Am Anfang kostete es uns Überwindung, die Ratten lebendig zu verfüttern.
Doch es gehört dazu, das ist die Natur», sagt José Manuel Gomez. Im Gegensatz zu den Ratten werden Schlangen alt, Königspythons gut und gern 25 Jahre. Und Bock gibt sich mit toten Tieren zufrieden. Alle drei bis vier Wochen bekommt er ein aufgetautes Kaninchen. Beschwerden von den Nachbarn über die exotischen Haustiere kamen bisher keine. Im Gegenteil, sagt Vater Gomez. «Einer kommt manchmal mit seinen Kindern vorbei und schaut sich die Tiere an.»