Es sei halt wie beim Sport, sagt Adelbert Gisler (49) vom Weiler Waldi ob Bürglen UR. «Man arbeitet das ganze Jahr auf einen bestimmten Moment hin», erklärt der Bergbauer. «Und dann platzt alles ganz plötzlich. In diesem Moment habe ich emotional reagiert.» Und den OK-Chef der Altdorfer Viehschau am letzten Sonntag zu Boden gerissen.
Früher war der Gisler Bärti Schwinger, bis vor 15 Jahren. Seither ist sein Sport die Viehzucht, die Viehausstellungen, die Prämierungen der schönsten Tiere. Neben dem Eingang zum Kuhstall hängt ein Schaukasten voller Siegerglocken, -plaketten, -schleifen.
Rund ein Dutzend Schauen besuchen die Gislers mit ihren Tieren pro Jahr. Die ganze Familie packt an: Bärtis Frau Agnes (41), sein Bruder Franz Heiri, die Kinder Daniel (20), Christian (19), Tamara (17) und Simon (13).
Das Heimspiel der Gislers ist die Kantonale Grossviehschau des Urner Braunviehzuchtverbands in Altdorf am letzten Wochenende. «Wir sind mit unserer Zucht eigentlich auf einem höheren Niveau,», sagt Bärti Gisler. «Trotzdem bedeutet uns Altdorf viel. Hier sind wir daheim. Wir wollen dem Urnerland auch etwas zurückgeben.»
Entsprechend aufwändig sind die Vorbereitungen. Die jungen Gislers nehmen die Woche davor sogar frei. Waschen die Tiere täglich. Schären sie. Bis in die Ohren. Und machen die Kühe schliesslich zurecht für die Viehschau. «Die Miss Schweiz geht ja auch nicht so zur Wahl, wie sie am Morgen aufgewacht ist», sagt Gisler.
Doch die Urner Grossviehschau ist keine wie jede andere. Die Jury legt Wert auf Tradition, führte vor zwei Jahren eine neue Regel ein: «Kein Styling.»
Am Samstagmorgen verladen die Gislers ihre 20 Kühe und Rinder in einen extra gemieteten Laster, fahren sie nach Altdorf. Es ist 9 Uhr, als die Nachricht dort zur Familie durchdringt: Die Tiere sind disqualifiziert. Wegen Stylings!
«Ich verstand die Welt nicht mehr. Letztes Jahr haben wir sie genau gleich zurechtgemacht: Mit Cola und Zucker frisiert, wie man das seit 40 Jahren macht. Und jetzt sollte das plötzlich verboten sein.» Die Kinder hätten Tränen in den Augen gehabt, sagt Gisler. «Auch mich nahm es wahnsinnig mit.»
Als Gisler dann auch noch den OK-Präsidenten Markus Baumann antrifft, passiert es. «Er wollte mich wegstossen, da habe ich ihn wohl am Hemd gepackt. Dann lag er plötzlich am Boden», sagt Gisler. «Vielleicht habe ich ihn tatsächlich umgeworfen. Vielleicht ist er über einen Kübel gestolpert. Ich weiss es nicht mehr genau.»
Plötzlich hört Gisler eine Durchsage: Er wird gesucht. Die Polizei ist da, Zuschauer haben sie gerufen. «Es war doch keine Absicht. Ich war einst Schwinger. Hätte ich meine Kräfte mit ihm messen wollen, hätte er ganz anders ausgeschaut.»
Die «Urner Zeitung» berichtete gestern über die Rangelei. Gegenüber BLICK wollte OK-Chef Baumann nicht über die Viehschau reden. «Es geht mir immer noch sehr schlecht», sagt er nur. Und dann: «Wissen Sie, es gibt Drogen, Alkohol, Tabak. Für manche Leute ist die Viehzucht eine Droge. Die Viehzucht kann ganze Familien zerstören.»
Schaurig schade sei das alles, findet Bärti Gisler. «Wir sind doch eine Familie.» Man müsse doch die Regeln klarer formulieren. «Ich bin immer noch überzeugt, dass die Disqualifikation nicht rechtens war.»
Am Wochenende sind die Gislers und ihr Braunvieh an der Olma. Treten gegen die Konkurrenz aus der ganzen Schweiz an. Cola und Zuckerwasser sind dort erlaubt.