Eine neue Studie im Auftrag des Arbeitgeberverbands hat sich mit den Gründen für die unterschiedlichen Löhne von Männern und Frauen befasst. Frauen hätten «tiefere Lohnerwartungen als Männer, wiesen eine geringere Risikobereitschaft auf und vermieden Wettbewerbssituationen», zitiert die «NZZ am Sonntag» aus dem Bericht.
Sind Frauen also selber für die Ungleichstellung verantwortlich? Blick.ch hat bei Managementberaterin Sonja A. Buholzer * nachgefragt.
Die Studie behauptet, Frauen seien im Vergleich zu Männern weniger dazu bereit, Risiken einzugehen. Stimmt das?
Frauen gehen mehr Risiken ein als Männer. Jedoch wägen sie dabei länger ab, hinterfragen sich und ihre Talente sehr viel differenzierter – und verpassen damit oft den Sprung nach oben.
Sind Frauen also selber schuld und müssten sich einfach mehr trauen?
Frauen sind an gar nichts schuld. Frauen leisten bereits durchschnittlich 2.5 mal so viel wie Männer in ähnlichen Positionen gemäss wissenschaftlichen Studien. Frauen sind leistungs- und faktenorientiert, das Pfauenrad lassen sie Männer schlagen.
Wo sollen die Frauen ansetzen?
Self-Marketing. Die eigene Leistung auch ins Licht rücken, politisch versiert, taktisch geschickt und letztlich auch streitbar zu sein – das ist die Basis, um als Frau, mit aller Feminität und allem Anderssein als ein Mann, Erfolg um Erfolg zu verzeichnen.
Eine Frau wolle Wettbewerbssituationen aus dem Weg gehen, können Sie das bestätigen?
Auf keinen Fall: Solche Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage und sind einfach unzeitgemäss und falsch. Wer solche Interpretationen lanciert, hat keine Ahnung vom Wesen der Frau und keine Ahnung von der Realität. Frauen sehen Wettbewerb weniger als Spiel als Männer. Sie nehmen Wettbewerb oft viel zu ernst und geben sich mit aller Power ein.
Haben Frauen weniger Probleme, mit anderen Frauen in Konkurrenz zu treten? Drückt dort die Stutenbissigkeit durch und kann in karrieretechnischer Hinsicht hilfreich sein?
Stutenbissigkeit ist ein Stigma, das garantiert nicht von Frauen kreiert wurde. Wo Wettbewerb herrscht, Konkurrenzkampf, da gibt es auch Rivalitäten. Das ist bei Männern so, das ist bei Frauen so.
Laut Erkenntnissen der Studie ist Frauen Harmonie am Arbeitsplatz sehr wichtig, Streit wollen sie aus dem Weg gehen. Nehmen sie dafür in Kauf, weniger zu verdienen?
Das mag stimmen. Frauen insgesamt sind darauf angelegt, harmonisierend und ausgleichend zu wirken. Aber wir müssen nicht geliebt werden und noch nicht einmal gefallen. Stattdessen wollen wir akzeptiert und geschätzt werden – nicht gefördert, sondern befördert.
Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt sagt im Interview, «Personen, die auf fixe Arbeitszeiten angewiesen sind und wenig Flexibilität zeigen, sind bei der Lohnfestsetzung tendenziell schlechtergestellt» und spricht damit das Thema Familie an. Wie sieht hier denn eine Lösung aus?
Wie unerhört unzeitgemäss solche Aussagen doch sind! Wir – Frauen und Männer – leben in einer Gesellschaft, in der Arbeitszeitflexibilisierung Ziel ist, in welcher Frauen und Männer Arbeitgeber wählen, die den Zeitgeist erkannt haben und derart fast undiskutable alte Paradigmen längst verabschiedet haben. Familie ist künftig Frauen– und Männersache. Dass wir in der guten alten Schweiz noch immer solche Aussagen lesen müssen, macht betroffen.
Muss sich eine Frau in der Schweiz also doch zwischen Kindern und Karriere entscheiden? Und wenn sie das nicht will – wie muss sie sich gegenüber dem Arbeitsgeber verhalten und auftreten?
Nein, es braucht dazu einen zeitgemässen Vater des Kindes, eine organisiserte Infrastruktur und sehr viel Liebe von Vater und Mutter – und den Arbeitgeber, der sich international bereits darin bewährt hat, zeitgemäss zu denken und zukunftsorientiert zu handeln. Karrieren lassen sich für uns vermehrt auf dem internationalen Parkett machen – die Schweiz tritt an Ort. (lex)
* Sonja A. Buholzer ist Managementberaterin und Bestsellerautorin. Ihr gehört die international tätige Managementberatung «Vestalia Vision», CEO-Coach und Karrierecoach von weiblichen Managern. Ihr neustes Buch heisst «Woman Power – Karriere machen, Frau sein».