Am 4. Juli 2014 erlitt eine damals 21-jährige Syrerin im italienischen Domodossola (I) eine Totgeburt, nachdem sie von Schweizer Grenzwächtern mit einer Gruppe von Flüchtlingen dorthin gebracht worden war. Die für das Grenzwachtkorps (GWK) zuständige Militärjustiz leitete eine Untersuchung ein.
Nun wird einer von vier Tatverdächtigen belangt: Der verantwortliche Tagesleiter wird angeklagt, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet.
Die im siebten Monat schwangere Frau klagte bereits vor Brig über Schmerzen im Bauch. In Italien angekommen wiesen die italienischen Grenzbeamten die Frau sofort ins Spital ein, wo ihr Kind später tot auf die Welt kam.
Ein Rechtsmediziner kam in seinem Gutachten zum Schluss, dass die Frau in Brig in grosser Gefahr war, weil sie keine ärztliche Hilfe erhielt.
Grenzwächter erkannten Schwangerschaft nicht
Die später diagnostizierte Plazentaablösung, die den Tod des Kindes verursachte, hätte laut dem Experten auch die Schwangere gefährden können. Sie hätte zu starken Blutungen mit Schockzustand führen können.
Der Mann der Schwangeren habe die Grenzwächter mehrfach auf den Zustand seiner Frau aufmerksam gemacht. Ohne Erfolg. Diese haben es als Schauspiel abgetan, wie sie es oft erlebt hätten. Wegen der weiten Kleider, wollen sie nicht bemerkt haben, dass die Frau schwanger gewesen sei.
Offen lässt das rechtsmedizinische Gutachten, ob das Leben des ungeborenen Kindes hätte gerettet werden können, wenn die Schwangere frühzeitig in ein Spital eingewiesen worden wäre.
Klar wird lediglich, dass der Tod des Kindes weniger als zwölf Stunden vor der Totgeburt eintraff. Wann genau sich die Plazenta ablöste, konnten die Forensiker jedoch nicht eruieren. (nbb)