Der Mord von Genf
Die erschütternde Anklage von Adelines Mutter

Die Mutter von Adeline erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörden: Man liess den Killer ein Messer kaufen, ihre Tochter Adeline liessen sie alleine und ohne Schutz. Sie musste von Adelines Tod aus den Medien erfahren.
Publiziert: 15.09.2013 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:16 Uhr
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«Es ist furchtbar, seine Tochter so zu verlieren»: Adelines Mutter Esther.
Foto: Pierre-Michel Virot
Von Roman Neumann und Katia Murmann

Ein schlichtes Einfamilienhaus in Athenaz, nicht weit von Genf. Rosa und rot blühen Blumen in der Einfahrt, es sind fröhliche Farben. Doch im Haus herrschen Trauer und Wut, grenzenlose Wut.

Hier wohnte Adeline M.* (†34) mit ihrem acht Monate alten Baby, mit Freund und Eltern – bis sie am Donnerstag bestialisch ermordet wurde.

SonntagsBlick traf die Familie gestern Vormittag. Adelines Eltern Esther (53) und Jean-Claude sind da, ihre zwei Töchter mit Kindern, Adelines Partner und sein Töchterchen, dem auf so schreckliche Weise die Mutter genommen wurde. Sie alle können noch immer nicht fassen, was geschehen ist. Zu verstörend sind die Details, die sie in den letzten Stunden von der Polizei erfahren mussten.

«Wir haben die ganze Nacht geweint», sagt Adelines Mutter

Esther mit gesenktem Kopf. «Heute können wir nicht mehr weinen. Wir sind zu erschöpft.»

Seit Tagen bewegt das Schicksal von Adeline M. die Schweiz. Die junge Frau arbeitete als Sozialtherapeutin im Genfer Gefängnis Champ-Dollon. In der Abteilung «La Pâquerette» betreute sie Gefangene, die an schweren Persönlichkeitsstörungen leiden und lange Haftstrafen absitzen. Einer von ihnen: Fabrice Anthamatten (39), zwei Mal verurteilt wegen schwerer Vergewaltigung. Ihn soll Ade-line an jenem Donnerstag zur Reittherapie bei Versoix GE bringen.

Auf dem Weg zum Reiterhof hält die junge Therapeutin bei einem Messerladen in Genf. Fabrice Anthamatten hat eine Einkaufsliste erstellt und vom Gefängnis die Erlaubnis erhalten, ein Hufmesser zu kaufen – um die Hufe der Pferde damit zu putzen, wie er behauptet.

«Warum hat man ihm das nur durchgehen lassen?», fragt Adelines Mutter verzweifelt. «Wie kann man einen so gefährlichen Mann ein Messer kaufen lassen?» Tatsächlich nutzt Fabrice Anthamatten die Erlaubnis eiskalt aus.

Im Messerladen kauft er kein Spezialmesser für Pferdehufe. Sondern ein anderes, mit scharfer Klinge. Ein Messer, mit dem er problemlos töten kann.

Mit der Waffe in der Tasche lässt sich Anthamatten von Adeline zur Reittherapie bringen. Um 11 Uhr sollen sie dort sein. Doch sie kommen nie an. Anthamatten bringt Adeline in ein nahes Waldstück.

Lockte er sie dahin? Zwang er sie dazu? Niemand weiss es. Sicher ist:  «Er hat sie an einen Baum gefesselt und ihr die Kehle aufgeschlitzt!», so Adelines Mutter. «Die Polizei sagte uns: mit einem einzigen Schnitt. Sonst sei der Körper unserer Tochter unversehrt gewesen. Ich hoffe so sehr, dass sie nicht leiden musste!»

Esther M. stockt der Atem. Sie verharrt einen Moment. Dann bricht es wieder aus ihr heraus. Sie spürt so viel Wut, hat so viele Fragen, die sie quälen – Fragen, auf die es wohl nie eine verlässliche Antwort geben wird: «Warum hat man meine Tochter alleine mit diesem Mann gehen lassen? Warum gab es nicht wenigstens Sicherheitsvorkehrungen? Warum war im Auto kein GPS, keine Ortung? Dann hätte man doch gemerkt, dass etwas nicht stimmt!» Doch erst um 16.30 Uhr habe das Gefängnis Alarm geschlagen.

«Viel zu spät!», ruft die Mutter. «Wir hatten solche Angst!» Die ganze Nacht bleibt die Familie wach, weiss nicht, was mit ihrer geliebten Tochter passiert ist.  Auch als Ade-lines Freund zur Polizei geht, erfährt er nichts Neues. «Als er da war, wusste die Polizei schon, dass sie tot ist», sagt Esther M. bitter. «Aber sie haben uns nichts gesagt! Wir mussten aus den Medien erfahren, dass unsere Adeline tot ist!»

Adeline M. wurde nur 34 Jahre alt. Ermordet von einem Mann, der schon zwei Mal auf brutalste Art und Weise vergewaltigt hat. Ein Mann, der seine Opfer mit Messern bedrohte. Und der von Psychologen als «eisig» und «bestia-lisch» beschrieben wird.

Zweimal wurde Anthamatten für seine Taten verurteilt, zu insgesamt 20 Jahren Haft. «Alle wussten, dass er gefährlich ist!», sagt Adelines Partner Alain F.* wütend. Und trotzdem haben sie sie mit ihm allein gelassen. Fabrice Anthamatten hat ihm das Liebste genommen. Das junge Paar wollte ein neues Leben beginnen.

Alain F. und Adeline waren seit drei Jahren ein Paar. Er ist Psychologe, arbeitet wie sie in «La Pâquerette». Vor acht Monaten wurde ihre Liebe mit der Geburt einer kleinen Tochter gekrönt. Im Gefängnis hatten sie bereits gekündigt, wollten im Oktober ihre neuen Stellen antreten. «Auf der anderen Seite», wie Adelines Mutter sagt. «Sie wollten in einer Opferhilfe-Institution arbeiten, nicht mehr mit Tätern. Denn seit Adeline selbst Mutter war, hatte sie Angst vor den Männern, mit denen sie arbeitete. Das hat sie mir gesagt!»

Auch privat hatten die beiden grosse Pläne: «Sie wollten heiraten, das Kind taufen und in ihr neues Haus ziehen. Adeline hat sich so auf ihr neues Familienleben und ihren Garten gefreut!», sagt Esther M.

Das Haus liegt nur zehn Minuten von Adelines Elternhaus in Athenaz entfernt, vor wenigen Monaten hatte es das Paar gekauft. Sie waren dabei, es einzurichten. Und lebten, bis es fertig war, bei Adelines Eltern.

Doch Adeline M. wird ihr neues Haus nie fertig eingerichtet sehen, nie ins nächste Dorf ziehen können. Die junge Mutter wird ihre letzte Ruhe in Athenaz finden – auf dem Friedhof, wenige Meter vom Elternhaus entfernt.

Als SonntagsBlick sich verabschiedet, hat Adelines Freund noch ein Anliegen. «Wir wollen nicht, dass jemand von offizieller Seite zur Trauerfeier kommt. Kommen soll nur, wer es persönlich wirklich will», sagt er. «Niemand soll mit ihrem Tod Politik machen!»

*Namen bekannt

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