Die «Schlucht der Toten» macht ihrem Namen traurige Ehre. Am letzten Samstag, kurz nach 13.30 Uhr, wollen sechs Skitourenfahrer zum Hospiz des Grossen Sankt Bernhard. Sie befinden sich auf 2300 Metern Höhe. Zum Hospiz sind es nur noch 300 Meter. Dort wird die Gruppe aus Mailand (I) nie ankommen.
An der Combe des Morts löst sich eine Lawine und begräbt die Italiener. Die grausame Bilanz: vier Tote und ein Verletzter. Der sechste kommt wie durch ein Wunder mit dem Schrecken davon.
«Augenzeugen des Lawinenunglücks alarmierten uns», erzählt Gerald Maret (45), Pilot der Air-Glaciers. «Es stürmte. Die Sicht war sehr schlecht. Wir flogen mit vier Helikoptern los, konnten aber nicht am Ort landen. Wir setzten die Bergretter weit unterhalb der Unglücksstelle ab. Sie brauchten 20 Minuten bis zum Schneefeld. Kostbare Zeit ging verloren.»
Wettlauf mit der Zeit
Obwohl gegen 30 Personen nach den Lawinenopfern graben, dauert die Bergung gut zwei Stunden. «Die Opfer lagen zum Teil über drei Meter unter dem Schnee. Wir wussten ja nicht, wie viele Menschen die Lawine erfasst hatte.» Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. «Einer der Gruppe steckte zur Hälfte im Schnee. Er war unverletzt. Ein zweiter lag etwa 30 Zentimeter unter der Oberfläche. Er überlebte leicht verletzt. Ein dritter Mann starb noch vor Ort, die anderen im Spital.»
Wer ist schuld an dem Drama? Der Wind könnte die Lawine ausgelöst haben, vermutet der Walliser Pilot Gerald Maret «Er hat den Schnee aufgeschichtet, bis sich das etwa 100 Meter breite Schneebrett löste.» Verheerend für die italienischen Opfer. Gianluca S.* (51), Präsident der Business School des Mailänder Polytechnikums, stirbt am Berg. Die Neurologin Francesca C.* (51), der Wirtschaftsberater Paolo A.* (52) und Ehefrau Valeria (52) kommen ebenfalls ums Leben.
«Es ist so tragisch», sagt Umberto Bertelè (70), Ehrenpräsident der Business School.
«Gianluca liebte die Berge, war im Winter fast jedes Wochenende im Schnee. Dass er nicht mehr zurückkommt, können wir kaum fassen. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Das Polytechnikum steht der Familie in diesen schweren Stunden zur Seite.»