Thurgauer verbreitet Judenhass in Europa
Wer stoppt den irren Nazi-Funker?

Carlo I. (44) hetzt gegen Juden – über Funk. Das ist ein Offizialdelikt. Doch kein Staatsanwalt ermittelt.
Publiziert: 08.11.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:23 Uhr
«Die Behörden wollen mich fertigmachen», behauptet der Ostschweizer Carlo I.
Foto: Von Marcel Sauder
Von Roland Gamp

Mit ruhiger Stimme betet Carlo I.* seine Parolen ins Mikrofon. «Der Holocaust hat gar nie stattgefunden», behauptet er. «Das ist die grösste Lüge des 20. Jahrhunderts.» Höchstens ein paar Zehntausend Juden seien im Zweiten Weltkrieg gestorben: «Alles Hochverräter und Saboteure, die den Tod verdienten.»

Seine antisemitischen Hasspredigten verbreitet der Ostschweizer unter dem Decknamen «Fuchs» über das offene Amateur-Funknetz. Und zwar seit bald 15 Jahren.

«Er ist eine Schande für alle Funker», ärgert sich ein langjähriges Mitglied der Szene. «Was er verbreitet, ist gegen das Gesetz. Trotzdem stoppt ihn keiner.»

Auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) ist über die Aussagen schockiert, die SonntagsBlick vorliegen. «Den Holocaust öffentlich zu leugnen, verstösst klar gegen die Rassismus-Strafnorm», sagt Generalsekretär Jonathan Kreutner (37).

Vor vier Jahren erstatteten der SIG und das Bundes­amt für Kommunikation (Bakom) Anzeige gegen Carlo I. Nach einer Hausdurch­suchung beschlagnahmte

die Polizei sein Funkgerät. Die Staatsanwaltschaft Thurgau verurteilte ihn zu einer Busse von 1000 Franken. Die Geldstrafe von 6000 Franken wurde auf drei Jahre bedingt verhängt.

Nach dem Urteil verstummte er. Bis jetzt. «Der Fuchs ist wieder auf Sendung», sagt ein weiterer Funker. «Letzten Sonntag fing ich rechtsradikale Äusserungen wie früher ab.»

Sie erreichen mehr Pub­likum als je zuvor. Denn Carlo I. funkt nicht wie bisher über den Säntis. Er benutzt jetzt Sendestationen in Deutschland, auf der Zugspitze oder dem Feldberg. «Damit erreicht er Hörer im Umkreis von 500 Kilometern», sagt der Szenekenner. «Von Tschechien bis nach Italien sind seine Nachrichten zu hören. An guten Tagen empfangen dies Hunderte Funker.»

Aber wie lange noch? Rassendiskriminierung ist ein Offi­zialdelikt. «Wir gehen davon aus, dass die Thurgauer Staatsanwaltschaft gegen den Funker vorgeht», sagt Jonathan Kreutner vom SIG.

Das ist derzeit nicht der Fall. «Damit wir eine solche Tat strafrechtlich verfolgen, brauchen wir eine konkrete Strafanzeige, welche durch entsprechende Unterlagen belegt ist», sagt Hans-Ruedi Graf (61), leitender Thurgauer Staatsanwalt. «Es reicht nicht, wenn uns jemand ein nicht näher bestimmtes Tondokument zukommen lässt.»

Immerhin ist das Bakom aktiv geworden. «Wir wissen, dass der ‹Fuchs› wieder aktiv ist», sagt Sprecherin Silvia Canova (29). «Ein Verfahren ist derzeit hängig.» Das Bundesamt kann den Funker wegen Widerhandlungen gegen das Fernmeldegesetz belangen – nicht aber wegen seiner rassistischen Äusserungen.

Carlo I. war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Vor drei Jahren, als erstmals gegen ihn ermittelt wurde, sah er sich als Opfer: «Ich bin ein Patriot. Die Behör-den wollen mich fertigmachen.»

*Name der Redaktion bekannt

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